Eine Solidaritätslesung für Liao Yiwu, der nicht ausreisen darf

Hamburg. Der chinesische Autor Liao Yiwu ist gefangen im eigenen Land, und er wird dort totgeschwiegen. Er wurde als eine der wichtigen literarischen Stimmen des heutigen China schon oft eingeladen, seine Werke im Ausland zu lesen. Ausreisen durfte er nie, zuletzt verweigerte man ihm Reisen zur Frankfurter Buchmesse 2009 und zur lit.cologne 2010.

Am Freitag, dem 4. Juni, ist in Hamburg trotzdem von ihm zu hören: In der Axel-Springer-Passage findet ab 18 Uhr eine Solidaritätslesung für ihn statt. Das Harbour Front Literaturfestival, das Literaturhaus Hamburg und das Hamburger Abendblatt haben den unbeugsamen Autor für den Herbst 2010 zum Literaturfestival nach Hamburg eingeladen. Um der Forderung nach seiner Ausreise Nachdruck zu verleihen, organisieren die Einlader gemeinsam mit dem Machtclub, mit Kampnagel, dem Thalia-Theater und der Initiative "Komm in die Gänge" diese Lesung, auf der etwa drei Stunden lang Werke von Liao Yiwu vorgetragen werden.

"Die Herrschenden in China hassen ihn, weil sie ihn fürchten", schrieb Wolf Biermann im Hamburger Abendblatt, als das letzte Ausreiseverbot für den chinesischen Autor bekannt wurde. Was aber macht ihn bei den Machthabern in Peking so unbeliebt?

Liao Yiwu saß von 1990 bis 1994 im Gefängnis, weil er ein kritisches Gedicht über das Massaker vom 4. Juni 1989 an den Studenten vom Platz des Himmlischen Friedens geschrieben hatte. Damals starben nach Angaben des Roten Kreuzes 2600 Menschen. Liao nahm sein Gedicht auf Tonband auf, es war bald weit verbreitet. Er wurde festgenommen. Bis dahin hatte er Lyrik, Prosa, und Essays geschrieben; vergeblich beteuerte er vor Gericht, dass er nichts von Politik verstehe. Liao gilt in China als politischer Straftäter.

Nach seiner Entlassung entstand ein neues Buch, über das Liao schreibt: "Es handelt von den Tränen und dem Lachen der Chinesen, die sich verwandelt haben, handelt vom Weiterleben nach Demütigungen, das manchmal nur durch Apathie zu ertragen ist. Die Überlebenskunst der Chinesen ist beeindruckend. Sie sind unverschämt, resigniert, niederträchtig und zäh. Auf diese Art und Weise ist 'Ein Interview mit der Unterschicht Chinas' entstanden." Es erschien auf Deutsch als "Fräulein Hallo und der Bauernkaiser" im S. Fischer Verlag. Es sind Gesprächsprotokolle, die wegen ihres schonungslosen Blicks auf diesen Teil der Wirklichkeit im heutigen China unter die Haut gehen. Sie setzen Maßstäbe der Wahrhaftigkeit.

Die Lesung findet am Jahrestag der Niederschlagung der chinesischen Studentenbewegung statt. Der Eintritt ist frei; um eine Spende für "Human Rights Watch" wird gebeten.