Willkommen in der Jazzbar The Groovin' Cliché. Sind Sie gut die Kellertreppe hinabgestolpert, ins verrauchte Mausoleum unbequemer Musik für komplizierte Charaktere? Hier, am Tresen, ist noch Platz, neben dem Brillenbügelkauer in Breitcord und dem Merlot nippenden Altphilologen, der just sein Pfeifentäschchen entrollt. Einen Single-Malt? In der Farbe der Fotos an den nikotinverbrämten Wänden, von Legenden, die pralle Backen beim Hornblasen machen? Das sind Jatzer mit diesem "feeling" und so. Wenn denen die Gesangsnoten runterfallen, singen sie einfach wullebap-biido, wiaa, wiuum. Das fetzt übelst cool.

Wie bitte? Ob das free jazz ist? Nee. Das ist der Klavierstimmer. Die Musiker sind noch auf der Autobahn. Mitfahrzentrale. Für ein Zugticket reichte die Gage nicht. Free jazz erkennen Sie daran, dass der Saab900-Fahrer neben Ihnen asymmetrisch mit den Fingern schnippst. Oder mitten in der 15-minütigen Kollektivimprovisation eruptiv applaudiert und Sie nicht wissen, warum. Ja, um Jazz zu verstehen, muss man Abitur haben! Es reicht aber auch, wenn Sie einen Rolli anziehen und ab und an nicken. Wenn der Bass sein Solo hat, reden eh alle. Ob das jetzt früher Mingus oder später Pettiford ist. Nein! Nicht tanzen! Jazzer tanzen nicht, Jazzdance hin- oder her, sie wippen diskret mit der Ferse, und Frauen schwärmen alle den Blechbläser an!

Pardon? Sie hören Musik mit dem Herzen, nicht dem Kopf? Und Sie glauben all diese gehegten Vorurteile über Jazz und seine Liebhaber nicht?

Dann muss ich Sie bitten, diese Bar sofort zu verlassen. Gehen Sie doch zum Hafen! Die jazzen da ab morgen jedes Klischee an die Wand. Unerhört!

Elbjazz 2010 Fr 28. & Sbd, 29. 5.: 45 Konzerte auf 15 Bühnen am Hafenrand. Z. B. Blohm & Voss Werftgelände (Till Brönner, Deodato & Hamburg Project), Marco-Polo-Terrassen (NDR Bigband, Klapptomanie). Tagesticket 39,90,-; www.elbjazz.de