Hamburg. Sie war eine der ersten großen Stimmen, die das Hamburger Opernpublikum nach Kriegsende erlebt hat - und seine Liebe zu ihr sollte nie aufhören. 1946 wurde Anneliese Rothenberger vom damaligen Intendanten Günter Rennert an die Staatsoper engagiert, ein Jahr später gab sie in Verdis "Maskenball" als Page ihr Debüt. Da war sie süße 20 - und stand doch schon nicht mehr ganz am Anfang ihrer Weltkarriere, die bereits mitten im Krieg am Theater Koblenz begonnen hatte. In den frühen 50er-Jahren entwickelte sich Anneliese Rothenberger, die bei Erika Müller studiert hatte, als lyrischer Sopran zu einer der wichtigsten Kulturbotschafterinnen der noch jungen Bundesrepublik Deutschland. Am Pfingstmontag ist sie 83-jährig an ihrem Wohnsitz in der Schweiz gestorben.

Anneliese Rothenberger ging nach ihren Anfangsjahren in Hamburg und einem kurzen Intermezzo in Düsseldorf 1957 an die Wiener Staatsoper, der sie bis 1975 angehörte. Da hatte sie schon eine erfolgreiche Konzertreise nach Südamerika hinter sich und ihr Fernsehdebüt in den USA gegeben. Auch die großen Festivals von Salzburg über München und Glyndebourne bis zu den Berliner Festwochen führten ihren Namen gern auf dem Programmzettel.

1960 stellte sie sich erstmals dem Publikum der Metropolitan Opera in New York vor, wo sie Strauss sang (die Zdenka in "Arabella"). Bald darauf debütierte sie an der Mailänder Scala, am Teatro Colón in Buenos Aires und in anderen Musikzentren.

Während ihrer jahrzehntelangen Laufbahn erarbeitete sich Anneliese Rothenberger ein beeindruckendes Rollenspektrum. Beschränkungen auf eine Epoche oder einen Stil waren nicht ihre Sache. Intendanten und Regisseure besetzten sie gerne für Werke zwischen Barock und Moderne, wobei sie eine besondere Neigung für die großen Rollen in den Opern von Wolfgang Amadeus Mozart und von Richard Strauss bewies. Sie war die Sophie im "Rosenkavalier" und die Zdenka in "Arabella", in der "Zauberflöte" feierte sie als Königin der Nacht große Erfolge.

Parallel zu ihrer Opernkarriere reüssierte Anneliese Rothenberger auch als Liedsängerin. Dort überspannte ihr Repertoire ebenfalls die Jahrhunderte.

Die Sängerin, am 19. Juni 1926 in Mannheim geboren, wurde in Deutschland jedoch auch bei Menschen populär, die in ihrem Leben nie einen Fuß in ein Opernhaus gesetzt hatten. Ihre Anfang der 70er-Jahre gestartete ZDF-Sendung "Anneliese Rothenberger gibt sich die Ehre" war so etwas wie ein Ritterschlag für ihre außergewöhnliche Begabung, im Fernsehen Musik zu vermitteln. 1967 hatte sie ihre erste Sendung "Heute abend: Anneliese Rothenberger". Anneliese Rothenberger war Trägerin des Bundesverdienstkreuzes erster Klasse und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter waren mehrere Bambis und die Goldene Kamera. Noch 2003 bekam sie einen Echo für ihr Lebenswerk.

1983 zog sich Anneliese Rothenberger von der Opernbühne zurück, sechs Jahre später als Liedsängerin. In Erinnerung bleibt sie nun auch als eine Frau mit einer Frisur, wie es sie nur noch sehr selten gibt, und einer Ehe, die länger währte als die meisten: 45 Jahre war sie mit dem Journalisten Gerd Wendelin Dieberitz verheiratet.