Richard Hawley singt den Blues und tröstet so seine Fans

Hamburg. "Männermusik" raunt meine Begleiterin mir ins Ohr, als Richard Hawley mit seinem warmen Bariton "Ashes On The Fire" vorträgt. Er singt von Tränen, Trauer und, um im Bild des Songtitels zu bleiben, dem Beziehungsofen, der definitiv aus ist. Männermusik bedeutet bei Richard Hawley nicht testosterongesteuertes Machogehabe mit dem Gitarrenhals als Verlängerung der eigenen Männlichkeit, sondern ein zurückhaltendes, geradezu zärtliches Ausloten der eigenen Gefühlswelten und das Recht auf nasse Augen als Folge einer zerbrochenen Beziehung. In seinen Songs ist der Troubadour aus der abgewirtschafteten Industriestadt Sheffield niemals larmoyant und auch nicht anklagend wie viele Bluessänger. Hawleys Figuren passen in eine verlassene Wohnung, allein an einem Küchentisch, vor sich ein Glas Hochprozentiges und in Gedanken glücklichen Zeiten nachhängend.

Die Mehrzahl der Zuhörer im Gruenspan sind Männer. Eher 40 Jahre und älter, einige mit ihren Frauen und Freundinnen, viele allein. Einsame Herzen, die diesen fantastischen Musiker als den Sänger für sich entdeckt haben, der ihre Gefühle auszudrücken versteht. Ein Lied wie "Soldier On" zum Beispiel reißt jeden Liebeskummer wieder auf, egal, wie weit er zurückliegt oder wie glücklich man sich aktuell fühlt. Gebannt hängen sie an den Lippen dieses Mannes, der als Kind wegen seiner Hasenscharte gehänselt wurde und auch in seinem Musikerleben eine Menge Enttäuschungen erlebt hat.

Aber das Hamburger Publikum meint es gut mit dem 43-Jährigen. Aufmerksam verfolgt es die oft sehr ruhigen Nummern, die Hawley und seine fünfköpfige Band entwerfen, frenetisch ist der Applaus nach jeder dieser sehnsüchtigen Balladen. Besonders die Songs vom aktuellen Album "Truelove's Gutter" bekommen durch den sonoren Gesang etwas Tranceartiges.

Trotz dieser düsteren Songs ist Hawley alles andere als ein Trauerkloß. Er liebt seine Frau, seine drei Kinder und seinen Hund, er erzählt launig, dass er für seine Jungs St.-Pauli-Shirts gekauft hat, "weil es der zweitbeste Fußballklub der Welt nach Sheffield Wednesday ist", und erinnert sich an seine ersten Auftritte in einer Striptease-Bar auf der Reeperbahn. Da war er gerade mal 14 Jahre alt und spielte in der Band seines Onkels.

Richtig laut werden können Hawley und seine Band übrigens auch. Zum ersten Mal explodieren sie beim grandiosen "Soldier On", zwischendurch ziehen sie Lautstärke und Intensität immer wieder an. Den Schlusspunkt setzt Hawley mit "The Ocean" von seiner ersten Platte "Coles Corner". Der Song endet mit einem wilden Solo, bei dem er seine Gitarre aufschreien lässt und jegliche Besinnlichkeit über Bord wirft. Auch das ist Männermusik, nur von der anderen Seite der Gefühlspalette.