Der Publikumsliebling kam, sang und wurde für seine Opern-Gala in der Laeiszhalle gefeiert. Am Ende wurde es sehr italienisch.

Hamburg. Spezialistentum im Klassik-Repertoire hat ja gern etwas Sektiererisches. Wer nur eine Sache gut machen will, kann sonst auch nichts anderes, schwingt in solchen Selbstbeschränkungen mit. Dann doch lieber alles zu seiner Zeit - je nach charakterlichem Reifegrad, Erfahrung oder individuellem Stimmtimbre. Verheizen lassen kann man sich noch früh genug, dafür braucht es nur eine Überdosis Vermarktungsdruck.

Der Tenor Jonas Kaufmann jedoch hat ein ziemlich sicheres Händchen dafür, wann er in welches Fach greifen sollte. Momentan ist vor allem das deutsche Fach dran. Für seine "Sehnsucht"-CD, die ihn ganz unbescheiden zum Caspar-David-Friedrich-Wanderer vorm Nebelmeer stilisierte, hatte er mit dem Mahler Chamber Orchestra und Claudio Abbado so ziemlich das Feinste vom Feinen als Begleitung spendiert bekommen. Bei seinem Opern-Gala-Abend in der Laeiszhalle war ihm so viel A-Klasse nicht vergönnt, da reichte es nur für das Münchner Rundfunkorchester unter Michael Güttler, die gemeinsam durch diverse Opern-Ouvertüren rannten und rumpelten.

Doch ganz so rundumrepertoiregenial ist Kaufmann doch noch nicht. Sein "Gott, welch Dunkel hier" aus dem "Fidelio" litt unter dramatischer Überfrachtung, die Beethovens klassisch-klaren Stil vernebelte und verunklarte. Dafür wurde es danach sehr angenehm - und blieb auch so. Taminos bezaubernd schönes Bildnis erfüllte diesen Anspruch, beim Waldspaziergang des strammen Max aus Webers "Freischütz" hätte man sich die Bühne dazu gewünscht und viel mehr davon.

Auch und erst recht mit Wagner ist Kaufmann im Zentrum seiner Stimmcharakteristik und Ausdrucksvielfalt: Die "Walküre"-Winterstürme waren wahre, weichgewobene Wonne - obwohl Güttlers Münchnern das nötige Fingerspitzengefühl fehlte. Die Gralserzählung des Schwanenritters Lohengrin war lediglich eine Kostprobe einer Partie, die Kaufmann bestens liegt. Hier hellte sich Kaufmanns Tenor ins strahlend Heroische auf, hier wurde eine hochromantisch verzierte Ritterrüstung angelegt.

Güttler jedoch überzog gerade bei diesen Bravourstücken und den dazwischen gegebenen Vorspielen nach dem schlichten Motto "Hau rein, is' Wagner". Er über-spielte wie ein sportiver Oberkellner, der partout seinen Trinkgeld-Rekord verbessern will; das Orchester tat viel, um sich davon nicht anstecken zu lassen, hatte aber in den hohen Geigen dennoch seine liebe Not mit dem ätherischen Anfang des "Lohengrin"-Vorspiels.

Dem Star des Abends war's offenbar egal, der war in Geberlaune. Am Ende, nach fast gut zwei Stunden, wurde es dann doch noch sehr italienisch: Nach Lehàrs Wunschkonzert-Kracher "Freunde, das Leben ist lebenswert" drängte es ihn mit der Blumenarie aus "Carmen" und dem "Tosca"-Tränendrücker "E lucevan le stelle" aus den gerade für ihn aktuellen Stilgrenzen. Mit seiner vierten, heftig bejubelten Zugabe - "E la solita storia" aus Cileas "L'Arlesiana" - rückte Kaufmann endgültig von der Maxime deutschsprachiger Wertarbeit ab. Dem Publikum war's nur recht, schließlich ist der andere Lockenkopf-Charmebolzen neben Rolando Villazón ein Sänger, der für seine Fans in allen Sparten eine gute Figur macht.