Die Rebellin kam im Morgengrauen, als die Vögel am lautesten trillerten. Die nächtliche Kühle drang in ihre oft gebeugten Knie, als sie sich mit geübter Langsamkeit auf der kargen Erde neben der Kreuzung niederließ. Erst räumte sie Dosen, Kippen und Scherben zur Seite. Dann hob sie die Harke und stieß zu.

Viele Sonnenaufgänge später. Tulpen recken ihre roten Wangen der unzuverlässigen Frühlingssonne entgegen, Rosmarin und Lavendel beben in Windstößen der vorbeigleitenden Autos, über knospenden Veilchen taumelt ein Schmetterling. Die betagte Guerillagärtnerin hat mit Schäufelchen, Samen und Blumenzwiebeln ein drei Badehandtücher großes Stück vergessene Stadt besetzt und es in einen lachenden Garten verwandelt. Nun zupft sie Unkraut, bei Tageslicht, der Wirt von nebenan füllt ihre Gießkanne. Von gegenüber grüßt eine Beetschwester beim Sonnenblumensetzen am Telefonhäuschen. Wildgärtnern ist ansteckend.

Gartenpiratinnen und Primelpartisanen re-naturieren Hamburg, der Mai ist Hochsaison für ihre Mission Immergrün. Sie beblumen diskret, leidenschaftlich - und illegal. Eine sanfte Auflehnung gegen Beton, Müll und Gleichgültigkeit, die seit dem Jahr 2000 sogar einen Namen hat: Guerilla Gardening. In London zogen Tausende Wildpflanzer aus, um in nur einer Nacht urbane Erdkrumen zu beackern. Bei uns ist es oft eine stille Blumenrevolution jener Frauen, die etwas länger gelebt haben als andere. Sie bepflanzen Wendehämmer mit Mohn und Salat, muntern Baumscheiben im Troittoir mit Duftveilchen auf, sehen nach Tageten an der Parkbucht. Subversive Stiefmütterchen und Astern adeln Seitenstreifen und Verkehrsinseln.

Danke, ihr grünen Daumelinas, für euren blühenden, zivilen Ungehorsam.

Pflege-Tipps unter www.gruenewelle.org , www.guerrillagardening.org , sowie in "Guerilla Gardening: Ein botanisches Manifest" von Richard Reynolds (Orange Press Verlag, 20,-)