Mit Omkara ist dem indischen Regisseur Vishal Bhardwaj eine grandiose Othello-Adaption gelungen - mit Stars wie Ajay Devgn und Kareena Kapoor.

Den guten alten Shakespeare zu adaptieren kann rasch peinlich werden, wenn sich Laien an dem Stoff verheben. Andererseits sind die Geschichten des britischen Dramatikers so stark, dass sie in den richtigen Händen immer wieder neuen Glanz entfalten. So zum Glück geschehen in der "Othello"-Bearbeitung von Vishal Bhardwaj, der die Eifersuchtstragödie für das Hindi-Kino aufbereitet hat.

Mit "Omkara" ist dem Inder eine grandiose Variante gelungen, die den Klassiker in die Gegenwart der kriminell durchwirkten Provinz von Uttar Pradesh verlegt. Und das mit absoluter Starbesetzung. Ajay Devgn, Ehemann von Shah Rukh Khans Traumpartnerin Kajol, spielt den Gangsterboss Omkara als coolen Hund mit Schlafzimmerblick, der in seiner Liebe zu Dolly (Kareena Kapoor) seine weichen Züge offenbart. Als die "Nummer eins" als Nachfolger nicht seinen grob geschnitzten Bruder Langda (Saif Ali Khan) bestimmt, sondern den gebildeten Kesu (Vivek Oberoi), schmiedet der Versetzte ein Netz aus Intrigen. Saif Ali Khan, der sonst gerne als Prototyp des modernen Erfolgsinders besetzt wird, gibt den humpelnden Fiesling auf genial abstoßende Weise. Statt wie bei Shakespeare ein Taschentuch lässt der Racheengel einen Hüftschmuck klauen, um Omkara die vermeintliche Untreue seiner Verlobten zu beweisen.

Die Liaison zwischen Bollywood und Shakespeare macht allein deshalb Sinn, da beide gerne im wüsten Mix aus dem Vollen schöpfen. Martialische Riten stoßen da auf zärtliche Liebesszenen, weise Konversationen auf derbe Prügeleien.

Allein für die sprachlichen Facetten lohnen sich die deutschen Untertitel zu diesem Meisterwerk von 2006, das Rapid Eye Movies jetzt auf DVD herausgebracht hat. "Sollte seine Tochter mich einen Lügner nennen, werde ich mir die Zunge rausschneiden und seine Schuhe damit polieren." Wenn Omkara einen solchen Satz sagt, steht das in spannenden Kontrast zu hoch romantischen Äußerungen seiner Geliebten, die in dem kunstvoll inszenierten Song "O Saathi Re" singt: "An deinen festen Körper möchte ich mich nähen, sodass es an mir zerrt, wenn du dich im Schlaf umdrehst."

Wer jedoch immer noch dem hartnäckigen Klischee anhängt, Bollywood-Filme bestünden lediglich aus bonbonbunten Schmachtorgien, kann sich mit "Omkara" - erneut - eines Besseren belehren lassen. "Vishal Bhardwaj hat einen Art-Film innerhalb des kommerziellen Formats gemacht", lobt der indische Schriftsteller Kiran Nagarkar in einem Interview, das der DVD beigefügt ist. Und tatsächlich schneidet der Regisseur aufgeheizte Tänze, etwa zum schmissigen "Beedi"-Song, gegen düstere Thriller-Szenen, in denen die Figuren bloß noch schemenhaft zu erkennen sind.

Wie schon seinen indischen "Macbeth", der unter dem Titel "Maqbool" 2003 neue ästhetische Maßstäbe setzte, realisiert Bhardwaj auch "Omkara" mit lässig langem Atem. Wer den Filmtitel erst nach 21 Minuten und seinen eigenen Namen nach 29 Minuten einblendet, muss schon die cineastische Ruhe weghaben. Die große Musikalität des 1960 geborenen Regisseurs, der zugleich Komponist und Sänger ist, spiegelt sich nicht nur in vortrefflich choreografierten Song-Sequenzen, sondern auch in Schnitt, Kamerafahrten, Zooms und Zeitlupen, die ihren ganz eigenen stilistischen Sog entwickeln.

Bhardwaj vollbringt es, die Parabel über die Macht des Misstrauens auch in inhaltlich leichteren Abschnitten stets mit einer feinen Aura des Verderbens zu durchziehen. Die dunkle Kehrseite der Medaille schimmert immer schon durch. Und sie verdichtet sich in einem Schlussbild, das das Auf und Ab der Liebe als Schaukel des Lebens in all seiner schmerzhaften Schönheit zeigt.

"Omkara" 152 Minuten (+ Bonusmaterial), ab 16 J., www.rapideyemovies.de