Wer den Regisseur Christoph Schlingensief nur durch seine Inszenierungen kennt, kann natürlich nicht wissen, was für ein höflicher, ernster und auch noch gut aussehender Mensch er ist. "Provokation" und "schrill" heißen die Schlagworte, mit denen seine ungewöhnlichen Arbeiten oft in Verbindung gebracht worden sind, ob es nun ein Film wie "Das deutsche Kettensägenmassaker" war oder seine "Parsifal"-Inszenierung in Bayreuth. Zuletzt entfachte er Diskussionen darüber, ob seine Krebserkrankung ein Thema für die Kunst sein dürfe, so wie er es in seinem Buch "So schön wie hier kann's im Himmel gar nicht sein" und in seinen letzten Theaterinszenierungen gemacht hat.

Schon lange befasst sich Schlingensief, 49, mit der Aufhebung des Gegensatzes zwischen Kunst und Leben. Behinderte, Obdachlose, Asylanten, Arbeitslose spielen im schlingensiefschen Kosmos mit. Als Hauptakteur seiner Kunst, die dank seiner überdrehten Entertainer-Qualitäten funktioniert, kämpft er gegen Heuchelei mit den Mitteln der Aktionskunst, des Tabubruchs und der Improvisation. Seine Inszenierungen sind gigantische Happenings. Mehr als früher zeigt sich der Regisseur, der seine bürgerlich-katholische Prägung immer betont hat, als Moralist mit biblischen Botschaften, die an unsere Solidarität, Ehre und Mitmenschlichkeit appellieren. Seine Leidenschaft gilt derzeit einem von ihm initiierten Operndorf in Burkina Faso. Mit Darstellern von dort gastiert er am Wochenende auf Kampnagel.