Man sieht nur mit dem Herzen gut, hat der kleine Prinz gesagt. Dass das Herz auch beim Hören der wichtigste Empfänger ist, ergänzen wir hier mal, freundliches Prinzeneinverständnis voraussetzend. Klar: Wer nur mit den Augen sieht, registriert jedes unvorteilhaft verpackte Speckröllchen am Körper der einst so betörend schönen und schlanken Whitney Houston . Und wer zum Musikhören nur seine herzlosen Ohren benutzt, der kann gar nicht anders als mosern und mäkeln über die wachsenden Risse und Kratzer und Aussetzer in ihrem Gesang.

Whitney Houston, diese wirklich tief gefallene Seele, singt sich derzeit zurück ins Leben, gestern Abend in der Hamburger O2 World - vor einem Publikum, das von den Sitzen sprang und sie mit Ovationen überschüttete, bevor sie ihren ersten Song beendet hatte (Kritik lesen Sie morgen). "I Look To You" heißt das wichtigste Lied ihres Comeback-Albums. Es ist Beichte, Gebet und Erlösungsgesang in einem. Offen bleibt, wen die Sängerin mit "you" meint. Ihre aus der Ehe mit Prügelgatte Bobby Brown stammende 17-jährige Tochter Bobbi Cristina? Ihre Mutter, die Elvis-Backgroundsängerin Cissy Houston? Ihre Patentante Aretha Franklin, Zeremonienmeisterin des Soul? Oder meint sie nur Ihn, den Herrn? Whitney Houstons Größe bestand immer darin, die Seele eines Songs zu erfassen. Mit 47 klingt das nach gelebtem Leben. Für Stimmen gibt es kein Botox, nur ungezählte Stunden der Wahrheit. Wer ein Herz zum Hören hat, der höre.