Der Elektro-Künstler Schiller alias Christopher von Deylen kommt Pfingsten mit der Musik von seiner neuen Doppel-CD “Atemlos“ nach Hamburg.

Hamburg. Ein, aus. Ein, aus. Und noch einmal: Ein, aus. Mindestens dreimal tief durchatmen sollte, wer die richtige Betriebsgeschwindigkeit für das neue Werk des Elektro-Künstlers Schiller erreichen möchte. Denn seine neue Doppel-CD heißt zwar "Atemlos", was ja auch das Gehetzte ins sich birgt, doch die driftende Musik entschleunigt den Schlag des Herzens.

Ein Zustand, der offenbar begehrt ist. Schillers nun mehr sechstes Album stieg auf Platz 2 der deutschen Charts ein. Am 14. Mai begann seine Deutschland-Tour in Trier. Und am 24. Mai lässt der Wahlberliner seine Klangwelten in der Hamburger O2 World erschallen.

Der sphärische Sound des Komponisten Christopher von Deylen, der hinter dem Pseudonym Schiller steckt, klingt so, als falle man in einen sehr, sehr weichen Teppich. Anhänger härterer Klänge hingegen befürchten eher, an dem Wohlfühlgewebe zu ersticken.

Der Popkünstler selbst ist jedoch wesentlich unrastiger, als seine Songs vermuten lassen. "Ich bin immer erstaunt, wie sehr ich für innerlich ausgeglichen gehalten werde. Aber ich stehe um 7 Uhr auf und bin schon voller Unruhe", erzählt von Deylen. Der Mann mit der markanten Glatze ist trotz seines enormen Erfolgs keiner, der einen Schutzwall an Starpräsenz aufgebaut hat. Gespräche mit dem 39-Jährigen haben stets etwas angenehm Unaufgeregtes. Doch obwohl der Blick warm und die Gestik entspannt ist, ist er ein Getriebener, der nicht ankommen möchte.

"So sehr ich mich abrackere, den perfekten Klang zu schaffen, so sehr hoffe ich inständig, dass ich ihn nicht finde." Denn statt die Leere zu erleben, die für ihn nach der Vollkommenheit folgen muss, bleibt von Deylen lieber Suchender und startet mit jeder Platte diesen "ganz, ganz schmerzhaften Prozess des ewigen Neuanfangs", des Entwickelns, Liegenlassens, Verwerfens.

"Einen gewissen Autismus lebe" er während der Kreativarbeit zu Hause, weshalb er sich zum Ausgleich zahlreiche, oft internationale Gastkünstler einlädt. Eine Reise der Stimmen, die seiner Musik letztlich das Label Global Pop einbrachte. Für den DVD-Dreh beim Konzert in Hamburg fliegen extra viele Mitwirkende des Schiller-Kosmos ein, etwa die pakistanisch-stämmige US-Sängerin Nadia Ali, die indonesisch-französische Chanteuse Anggun sowie der schottische Gitarrist Midge Ure.

Überhaupt aufzubrechen, das ist entscheidend. Auch ganz konkret. Für ihn bedeutet unterwegs sein vor allem eins: Inspiration.

Das Wort "atemlos" schoss von Deylen in den Sinn, als er im vergangenen Sommer einen Monat als Gast des Forschungsschiffes "Polarstern" die Arktis erkundete. "Als Kind der Zivilisation habe ich das moderne Leben gelernt. Das liegt mir auf eine Art auch", erzählt er, draußen beim Interview, eingepackt in eine Thermojacke, da die Frühlingssonne die Kälte noch nicht zu durchbrechen vermag. "Wenn man sich dann aber auf einmal in dieser puren Natur befindet, in der der Mensch nichts zu suchen hat, ist das atemberaubend." Eine Situation, die einem mit ihrer zwingenden Schönheit die Luft raubt, die Sprache verschlägt. Das bedeutet für Schiller "atemlos".

Von Deylen ist weder Umweltaktivist noch Esoteriker. "Aber", so konnte er feststellen, "wenn man vier Wochen auf dem Wasser ist, können die Gedanken relativ schnell existenzialistisch werden." Und als Künstler konnte er von der alten Ursuppe noch einiges lernen. "Popmusik ist ja die Kunst des Weglassens. Wenn man sich dort befindet, wo es nichts mehr wegzulassen gibt, ist das im ersten Moment unerwartet."

Ganz fahrig sei er zunächst geworden. Er, der Klänge lebt und in Berlin ständig um sich hat, im Studio, auf den Straßen. Umso erstaunlicher: "Das Meer spricht zu einem, obwohl es ja ruhig ist." Und dieses Gefühl der alles ausfüllenden Stille, das hätte er am liebsten festgehalten. "Man möchte einfach auf Stopp drücken und das Leben anhalten. Aber das geht nicht."

Aber, so betont er: "Um sich gefangen nehmen zu lassen, muss man sich der Musik ergeben. Die kann man nicht so weghören, wie man einen Stapel Wäsche wegbügelt." Also: ein, aus. Ein, aus. Und noch einmal: ein, aus.

Schiller 24.5., Einlass: 18.00, Beginn: 20.00, O2 World (S Stellingen), Sylvesterallee 10, 43,- im Vvk.