“We Almost Lost Detroit“: Der wieder entdeckte Gil Scott-Heron begeisterte in der Fabrik mit Songs voller politischer Poesie und Tragik.

Hamburg. "Ich habe gelesen, dass ich verschwunden sei. Wie kann ein Mensch einfach verschwinden? Ich war im Knast." Gil Scott-Heron redet nicht lange herum. All denen, die in der ausverkauften Fabrik nicht wissen, warum so lange nichts von ihm zu hören war, knallt die Soul-Legende die Wahrheit um die Ohren. Doch jetzt ist er wieder da. Mit einem neuen Album und den alten Anklagen gegen ein System, das es nicht gut mit Afroamerikanern meint.

Scott-Heron reicht ein E-Piano, um mit kurzen, rhythmischen Phrasen den musikalischen Boden für seine politische Poesie auszubreiten. Er singt mit seinem tiefen Bariton viele ältere Nummern wie "We Almost Lost Detroit", eine Warnung vor den Nuklearfabriken, oder "Winter In America", eine generelle harsche Abrechnung mit der Demokratie in den USA, die nicht alle Bürger schützt. Wenn er in "The Other Side" immer wieder die Phase "I Need To Go Home" wiederholt, klingt hier der verzweifelte Versuch des Süchtigen durch, nach Hause zurückzukehren. Scott-Heron kennt seine Dämonen.

Fast zwei Stunden lang dauert dieses Konzert, bei dem der 61 Jahre alte Dichter und Sänger später von einem exquisiten Trio begleitet wird. Scott-Heron zeigt, dass Soul eine Haltung ist, die er verkörpert wie kaum ein Zweiter. Das Publikum in der Fabrik ist zu Recht begeistert von diesen Songs, die aus großer Lebenserfahrung entstanden sind. Am Ende ermahnt Gil Scott-Heron seine Fans, dass sie sicher nach Hause kommen mögen, besonders, wenn sie schon ein bis drei Gläser getrunken haben. Er weiß, wovon er spricht. Neben seinem Klavierstuhl steht ein volles Glas Cognac.