Die Produktion “Flüchtlinge“ amüsiert sich auf Kosten der Figuren

Hamburg. Asien ist ein faszinierender Kontinent, auf dem für unsere Ohren und Augen so viel Unerklärliches geschieht - was manch einen schnell in die Versuchung führt, das Andersartige zu veralbern. Dieser Versuchung ist Regisseur Jonas Zipf bei der deutschsprachigen Erstaufführung von Alfian Bin Sa'ats "Flüchtlinge" erlegen. Leider.

Um das Schicksal chinesischer Einwanderer in der streng reglementierten Gesellschaft Indonesiens soll es gehen. Die Familie, die sich da auf der Bühne in der Garage des Thalia in der Gaußstraße präsentiert, steht einer Kino-Trashfamilie wie den "Flodders" in nichts nach. Felix Knopp als Vater gibt mit zurückgeschleimten Haaren den Businessmann, Sandra Flubacher bespielt als Mutter behände die Klaviatur ihrer Neurosen. Hinzu kommen Sebastian Zimmler als halbstarker Sohn und Birte Schnöink als faltenberockt verstörte, pubertierende Tochter. Dass der Großvater noch unter den Lebenden weilt, wird von den Erwachsenen gerne mal vergessen.

Das Leben in der Fremde läuft für diese Familie, die auf der Suche nach Arbeit und Wohlstand einst die Heimat verließ, alles andere als rund. Der Vater muss seinen Mercedes an einen Inder verkaufen und fortan ein Taxi steuern, während sein ehemaliger Angestellter, ein Malaye, seine Firma führt. Die Tochter und ihre Freundin reisen erlebnishungrig zum Flughafen und hoffen auf ein Unglück, das die Betroffenen in Geister verwandelt. Es sind persönliche Schlaglichter auf eine Gesellschaft, die nach eigenen Regeln funktioniert. Das hätte einen berührenden Theaterabend abgeben können.

Für Jonas Zipf sind die Figuren jedoch in erster Linie Pointengeber aus dem Kuriositätenkabinett. Das fängt beim Karaoke zur kitschigen Fernsehsoap an, führt über eine verunglimpfte Aussprache und endet bei spleeniger Schnoddrigkeit. Der als "szenische Annäherung" markierte Abend behauptet gar nicht erst, den Stoff des Stücks stringent übertragen zu wollen. Die Akteure werden genötigt, ihre Regieanweisungen frontal über eine Notenständerwand ins Publikum mitzusprechen. Statt der Begegnung zwischen den Figuren bemüht Zipf erneut die leider so beliebte frontale Rampenansprache. Es reicht aber nicht aus, mit Grundsätzen des Konfuzius zwischendurch notdürftig eine philosophische Metaebene einzuziehen.

Flüchtlinge nächste Vorstellungen 23.5., 8.6., 18.6., 22.6. jew. 20 Uhr, Thalia in der Gaußstraße (Garage), Gaußstraße 190, Karten T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de