Pianist Grigory Sokolov begeistert in der Laeiszhalle

Hamburg. Die Beleuchtung der Laeiszhalle wird auf Schummerstärke heruntergedimmt. Dann eilt ein untersetzter Herr mit grauem Haar zielstrebig zum Flügel und verbeugt sich beinahe hastig, bevor er endlich zur Sache kommen kann.

Bloß kein Rummel um mich machen, scheint Grigory Sokolov uns damit sagen zu wollen, es geht doch einzig und allein um die Musik! Und die hat es, wie eigentlich immer bei dem russischen Pianisten, wirklich in sich.

Schon mit den ersten Tönen aus Bachs c-moll-Partita schafft er es, selbst den routiniertesten Konzertgängern das Staunen zurückzuzaubern: ein Staunen über das Wunder der Musik, die man nur selten in so reich differenzierten, tief durchdrungenen und glasklar geformten Interpretationen erleben darf wie hier.

Manche Passage aus der Sarabande verströmt trotz ihrer kargen Enthaltsamkeit mehr Wärme und Musikalität als bei anderen ganze Abende - da möchte man am liebsten alle Raschler, Huster und sonstigen Geräuschverursacher energisch, aber lautlos des Saales verweisen, weil die Momente so kostbar sind.

Durch seine fast demütig bescheidene Hingabe an die Kunst ist Grigory Sokolov der personifizierte Gegenpol zu den PR-gepushten Popstars der Pianistenzunft - deshalb scheinen ihm auch die späten Fantasien von Johannes Brahms wie auf den Leib geschneidert zu sein: Mit seinen sanften Pranken fördert Sokolov ihren grüblerischen Ernst und herbstliche Melancholie zutage, aber auch die lyrischen Momente, die wie längst vergessene Glückstränen zwischen den dunklen Farben durchschimmern.

In der zweiten Hälfte findet die kompromisslose Anti-Show ihre konsequente Fortsetzung: Mit Schumanns spröder Sonate Nr. 3 und sechs Zugaben, in denen Sokolov seine schier unerschöpfliche Farbpalette immer in den Dienst der Musik stellt. Ein denkwürdiger Abend des vielleicht größten unter den lebenden Pianisten.