Literaturexpertin Annemarie Stoltenberg über Tragödien und Geschenke des Lebens in den Romanen von Mira Magéns und Thommie Bayer.

"Herr, wenn ich gleich mit dir rechten wollte, so behältst du doch recht; dennoch muss ich vom Recht mit dir reden", zitiert Mira Magén aus Jeremia 12, 1 zu Beginn ihres Romans "Die Zeit wird es zeigen". Hier wird heftig mit Gott gerungen, die Menschen fragen sich, warum sie ein so schwer zu lebendes Leben haben und sind auch wütend. Eine israelische Familie hat zwei behinderte Kinder. Ein Mädchen, das bei der Geburt zu wenig Sauerstoff bekommen hat, und einen Jungen, der nach einem Fahrradunfall im Koma liegt. Alle kümmern sich um den Jungen, bis die Mutter tief erschrocken ruft: "Haben wir eine Verwundete auf dem Schlachtfeld vergessen?" Niemand hatte bemerkt, mit welcher Schuldenlast das Mädchen Anna beladen ist. Die Familie ist voller Zärtlichkeit und Zuversicht - gegen alle Prüfungen des Lebens gestemmt mit einer "Liebe, die alles weiß, ohne etwas zu verstehen". Manchmal ist es schwer, Worte, die man im Herzen hat, herauszulocken. Bei Mira Magén scheint es leicht. Ihr ist ein Buch geglückt, durch das man sich beschenkt fühlt.

So etwa, wie es Thommie Bayer formuliert in seinem Roman: "Fallers große Liebe". Ein Antiquariatsbuchhändler scheint hier ein modernes Märchen zu erleben, eine fantastische Bibliothek wird ihm angeboten und ein offenbar sehr wohlhabender Mäzen möchte von ihm durch Deutschland chauffiert werden - für eine traumhafte Gage. Bayer beschreibt ein scheu beginnendes Männergespräch mit überraschender Schlusspointe. Fallers Auftraggeber will sein Vermögen verschenken und erlebt skurrile Abenteuer dabei. Man sitzt lesend mit im Jaguar und fühlt sich bestens unterhalten. Unterwegs heißt es einmal: "Natürlich landete ich nach kurzer Zeit wieder in einer Buchhandlung, wo ich ... das Gefühl genoss, reich zu sein. Gerüstet für das Leben nach dieser Reise, oder, falls sie noch länger andauern sollte, für jeden faden Regennachmittag." Wohl denn, reich durch Bücher!

Mira Magén: Die Zeit wird es zeigen. 398 Seiten. Dtv premium. 14,90 Euro

Thommie Bayer: Fallers große Liebe. 202 Seiten. Piper. 16,95 Euro

In Aufgeblättert" stellen im Wechsel Annemarie Stoltenberg, Rainer Moritz (Literaturhaus) und Wilfried Weber (Buchhandlung Felix Jud) ihre Buchtipps vor.