Die US-Songwriterin Melody Gardot begeisterte bei ihrem Konzert in der Laeiszhalle mit raffinierten Arrangements in Nachtblau.

Hamburg. Melody Gardot stützt sich auf einen Gehstock, eine Sonnenbrille schützt die lichtempfindlichen Augen. Zugeständnisse an ihre schwere Unfallversehrung vor einigen Jahren. Kurze Verbeugung, dann schlüpft sie, als wolle sie sich vor den Zuschauern verstecken, hinter den Flügel und beginnt, John-Cage-artig an den Saiten zu zupfen. Auf ein Kopfnicken steigt ihre vierköpfige Band ein.

Lasziv bewegte rhythmische Besen und düster-melancholische Melodien, gesungen von Gardots Piano und vom Cello, tauchen den Abend unmittelbar in absolute Gänsehautstimmung. Eine Atmosphäre des Obskuren und Geheimnisvollen breitet sich im Saal aus, abwechselnd in Nachtblau und Tiefrot getaucht. Mit intensivem Vibrato hebt Gardot die Ballade "Your Heart Is As Black As Mine" vom aktuellen Album "My One And Only Thrill" an. Kein Zweifel, die junge Amerikanerin beherrscht in ihrer Kunst schon die ganze Klaviatur der Gefühle von Leidenschaft, Begehren und Enttäuschung. Raffiniert arrangiert von Saxofonist Irwin Hall, der dazu wie selbstverständlich in zwei Saxofone bläst.

Selten treibt Gardot ihre Stimme zu äußerster dynamischer Fülle, doch es sind gerade die verletzlichen Töne, in denen sie akkurat moduliert, die Übergänge perfekt inszeniert. Lange Zeit ist nur ihr weizenblonder Schopf zu sehen. Würde Alfred Hitchcock heute noch Filme drehen, er würde Melody Gardot als nächste Blondine besetzen.

Ihr durchgestylter 50er-Jahre-Auftritt passt zu den verführerischen Blues-Songs, in denen sie zum "Lover Undercover" wird oder im flirrenden, Bossa Nova inspirierten "If The Stars Were Mine" die besungenen Sterne vom Himmel holt. Zwischendurch tastet sie sich zum Frontmikrofon vor oder begleitet sich auf einem Schemel lehnend an der Gitarre.

Fast schon zu erwachsen erscheinen die mit Süffisanz gespickten Ansagen der gerade mal 25-Jährigen. Den "Lover Undercover" stimmt sie mit der Frage ein: "Waren Sie auch schon mal die ,andere' Frau?" Um kurz danach hinzuzusetzen: "Für all jene, die neben ihrem Ehemann sitzen und nicht gut lügen können, das hier ist für euch!"

Mit der Abgeklärtheit einer gestandenen Jazz-Diva plaudert sie über die Verbindung von Liebe und Narrentum, über das portugiesische Gefühl von "Saudade" und ihre Hingabe an den Weltschmerz. Dabei wirkt die junge Amerikanerin, die ihre Wohnung aufgegeben hat und nur noch aus zwei Koffern lebt, ganz in der Welt zu Hause. Ihre Begleiter erleichtern es ihr mit variantenreichem Spiel. Unter den ausgezeichneten Bandmitgliedern brilliert vor allem Bassist Charnett Moffett, bewährt aus seiner Zusammenarbeit mit Wynton Marsalis und Tony Williams. In aberwitzigem Tempo jagt er seine Finger über die Saiten. Melody Gardot wirkt schon nach dem zweiten Album wie eine Künstlerin in ihrer Blüte. Angesichts ihrer Jugend haben wir da noch einiges zu erwarten.