Mit ihrer entschlackten Variante von “Jesus Christ Superstar“ überzeugt Peaches auf Kampnagel

Hamburg. Verletzlich wirkt Peaches, als sie in der großen Halle auf Kampnagel zu all den Menschen, die bis unters Dach sitzen, singt. Die Elektro-Anarchistin hat zum letzten Abendmahl geladen. Und ihre Jünger füllen eifrig das Haus.

Die Pop-Performerin, die in ihren Shows sonst gern mit Erotikspielzeug und Klebebärten tradierte Rollenmuster hinterfragt, wirkt überraschend asexuell in ihrem weißen Ganzkörperanzug an leichten Turnschläppchen. Wie eine zweite Haut streckt sich der Stoff über ihren drahtigen Leib, abgeschlossen von einem wulstigen Kragen, aus dem Peaches' Kopf samt Punk-Frisur herausragt wie frisch geschlüpft.

Zum Vorschein kommt die sensible Seite einer Künstlerin, die sich die Welt mit derber Lyrik erst einmal neu sortieren musste. In ihrer entschlackten Variante des Musicals "Jesus Christ Superstar" durchlebt sie alle Rollen in ihrer Person verdichtet. Und das macht sie richtig gut.

Den Gassenhauer "What's The Buzz?" gibt sie eckig tanzend als verschrobenen Ein-Frau-Gospel-Chor. Bei "Everythings's Alright" streckt sie sich sanft hin, um den Part der Maria zu singen. Zwar zittert ihr Gesang mitunter in den Höhen. Denn zu Hause ist Peaches sicher eher in den tieferen Lagen, etwa wenn sie als aufgebrachtes Volk fordert: "This Jesus Must Die".

Der Reiz des Abends liegt darin, dass eben keine übertrainierte Musical-Stimme zur Schau gestellt wird. Enorm viel leere Bühne umgibt die 41-Jährige, räumlich getrennt von ihrem Begleiter Gonzales, denn der spielt sich hinten links in der Ecke höchst bemerkenswert einen Wolf. Die sparsame Lichtregie unterstreicht das Gefühl, dass sich hier jemand dem Publikum ausliefert. Quasi nackt. Schwäche bedeutet dies aber keineswegs.

Stark ist Peaches etwa, wenn sie mit der naiv anmutenden Ballade "I Don't Know How To Love Him" als Maria Magdalena die Antithese zu ihrem sonstigen Schockprogramm gibt. Die Menge quittiert den Mut zur stilistischen Rolle rückwärts mit Gekicher und Applaus. Nach der Pause erscheint die Dame dann gut gerüstet für das tödliche Finale im goldenen Thermo-Blouson. Peaches' "Christ Captain Future". Aufrüttelnd ist ihr Jesus, der mit der Erkenntnis kämpft, verraten zu werden.

Da holt jemand echte Emotionen hoch, statt bloß einstudierte Musicalbewegungen abzuliefern. Herzblut statt Formfleisch. Als Herodes beweist sie zudem komödiantisches Potenzial mit einer Revue samt Moonwalk.

Unstimmig im Liederabend-Konzept wirkt das Ende, bei dem sich Peaches von Hipstern kreuzigen lässt, die lässig zum Titelhit tanzen. Konsequenter wäre der Alleingang gewesen.

Doch unter der Decke, gülden vorm Kruzifix von Andreas Golder baumelnd, ist sie ja wieder ganz für sich. Und so klingen Peaches' letzte Worte wahrhaftig. Fast so, als habe sie den Liedern ihre Würde zurückgegeben.