Hamburg. Franz Liszt gilt vielen als Inbegriff des Virtuosen und eines typisch romantischen Künstlerselbstverständnisses - und das ist unseren schnörkellosen Zeiten, die sich so gern das sogenannte Wesentliche auf die Fahnen schreiben, suspekt. Zu Unrecht, wie der Abend mit dem bulgarischen Pianisten Vesselin Stanev im Kleinen Saal der Laeiszhalle gezeigt hat. Anhand von Liszts zwölf "Etudes d'exécution transcendante" führte Stanev einen Komponisten vor, der die Grenzen des pianistisch Möglichen auslotete, sich aber nie in leerem Geklingel erschöpfte.

Stanev bewältigte diesen Parforceritt mit einer Kraft, die von innen zu kommen schien. Die Spannung hielt er über die zwölf Nummern hinweg aufrecht und legte Esprit und Assoziationsreichtum dieses Kosmos frei: Hier grüßte der Trauermarsch aus Beethovens "Eroica", dort träumte die Musik rhapsodisch wie Debussy.

Zeitmaß, Artikulation und Dynamik behandelte Stanev so bewusst, dass man die technischen Gemeinheiten wie waghalsige Sprünge, ineinanderwuselnde Finger oder Akkorde für mindestens drei Hände kaum wahrnahm. Kleinlich, wer bemängeln wollte, dass sich Stanev mal vergriff oder das Instrument klanglich überfordert schien.

Bachs Fantasie und Fuge g-Moll, von seinem Bewunderer Liszt für Klavier bearbeitet und von Stanev vorweg in romantisierender Ästhetik dargeboten, hätte man am Schluss gerne noch einmal gehört - schon um der Symmetrie willen. Aber auch, um nach all dem Drama noch einmal an den Urquell der Inspiration zurückzukehren.