Unterwegs mit zwei Lehrerinnen, die Schüler mit Materialien und deren Familien mit Gutscheinen der Abendblatt-Hilfsaktion versorgen.

Sie treffen sich immer mittwochs um 10 Uhr im Klassenzimmer der 4f der Fridtjof-Nansen-Schule in Lurup. Seit sieben Wochen packen die zwei Klassenlehrerinnen und eine Sonderpädagogin für ihre 24 Schülerinnen und Schüler den Wochenplan mit neuen Aufgaben für den Unterricht zu Hause in einzelne Taschen ein.

Dazu gibt es noch eine Süßigkeit für jedes Kind – und für sechs Familien seit drei Wochen noch je ein bis zwei 25-Euro-Gutscheine der Coronahilfe-Aktion der Abendblatt-Initiative „Von Mensch zu Mensch“. Die Grundschullehrerin Maren Schamp-Wiebe hat bisher 300 Lebensmittelgutscheine bei „Hamburger Abendblatt hilft e. V.“ angefragt.

Lebensmittelgutscheine für mehr als 170 soziale Einrichtungen

Seit Anfang April verteilt der Verein Lebensmittelgutscheine an mehr als 170 soziale Einrichtungen in der Metropolregion, die diese an Bedürftige weitergeben. „Wir haben 29 Klassen an zwei Standorten. In jeder Klasse gibt es durchschnittlich sieben Familien, die von uns Lehrern Gutscheine bekommen, weil sie sonst nicht wissen, wie sie ihre Kinder bis zum Ende des Monats versorgen sollen. Und es sind etliche Familien darunter, die erst durch Corona in diese Not geraten sind. Wir sind sehr froh, dass wir hier nun unbürokratisch helfen können. Die Familien sind so dankbar dafür“, sagt Maren Schamp-Wiebe und packt acht Stofftaschen in den Korb ihres Fahrrads.

Genauso wie ihre Kolleginnen Ulrike Ritter und Anke Kelpe wird sie je acht Familien im Stadtteil besuchen und ihren Schülern die Aufgaben persönlich überbringen. „Für uns ist es wichtig zu sehen, wie es unseren Schülern geht. Und die freuen sich so, wenn sie uns sehen. Manche warten schon am Gartenzaun oder vor der Haustür auf uns. Die Viertklässler können es kaum erwarten, dass am Montag die Schule wieder losgeht, sie waren so traurig in den letzten Wochen, das hat mich tief erschüttert“, sagt Ulrike Ritter.

Nachschauen, wie es den Schülern zu Hause geht

Die Familien, die sie besucht, sind genauso gemischt wie der Stadtteil Lurup – manche wohnen gut situiert in Einzelhäusern, andere in schäbigen Appartements. Es gibt sozial und finanziell schwache Schüler in ihrer Klasse, deren Eltern bildungsfern und desinteressiert an den Leistungen ihrer Kinder sind, „aber auch sehr engagierte Mütter und Väter, die ihre Söhne und Töchter sehr unterstützen“.

Mütter wie Olga Merkel, die mit ihrem Mann und den beiden Söhnen in einem kleinen Reihenhaus wohnt. Seit Mitte März sind die Eltern in Kurzarbeit, er arbeitet bei McDonald’s, sie in einem Bettwarengeschäft. „Am Anfang habe ich die Zeit mit den Kindern sehr genossen, ich habe ja immer Vollzeit gearbeitet. Wir spielen viel, backen gemeinsam, ich helfe bei den Hausaufgaben. Aber jetzt habe ich zunehmend Angst, meine Arbeit zu verlieren, meine Firma hat seit Wochen keine Einnahmen“, sagt die 39-Jährige. Sie streicht ihrem Sohn Nice-Jaiteh (10) liebevoll über den Kopf.

Lehrerin Ulrike Ritter übergibt Nice-Jaiteh und seiner Mutter Olga Merkel einen Gutschein und die Hausaufgaben für die Woche
Lehrerin Ulrike Ritter übergibt Nice-Jaiteh und seiner Mutter Olga Merkel einen Gutschein und die Hausaufgaben für die Woche © SABINE TESCHE/HAMBURGER ABENDBLATT | Sabine Tesche (FMG)

Er ist ein fleißiger Junge, hat sogar mehr Hausaufgaben gemacht als nötig, wie Lehrerin Ritter beim Blick in die Materialien feststellt. Olga Merkel fällt es schwer, einen 25-Euro-Gutschein anzunehmen, sie glaubt, dass es andere vielleicht nötiger hätten als sie. Aber Ulrike Ritter besteht darauf.

Die Eltern sind beide in Kurzarbeit

„Das ist schon ein kleines Geschenk für uns, damit können wir uns auch ein paar Sachen mehr leisten als sonst, vor allem Obst für die Kinder“, sagt Merkel. Durch die Kurzarbeit hat das Ehepaar nur noch rund 2000 Euro netto zur Verfügung, knapp 1000 Euro gehen für die Miete weg.

„Ich schätze, uns bleiben derzeit rund 400 Euro für Lebensmittel im Monat übrig“, sagt Merkel, die noch einen 14-jährigen Sohn hat, der mitten in der Pubertät ist.

Maren Schamp-Wiebe ist unterdessen fast am Ende ihrer Tour, die sie vorbei an heruntergekommenen Wohnblocks und durch das sogenannte Flüsseviertel, einen als problematisch, von Gewalt und Armut geprägten Siedlungsbau führt. Ihre vorletzte Station für diesen Mittwoch ist Stephanie Schaper, die mit ihrem Lebensgefährten und vier ihrer sechs Kinder in einer mittelgroßen Sozialwohnung lebt. Bis vergangene Woche hat auch ihr ältester Sohn bei ihr übergangsweise gewohnt, er ist sonst in einer Jugendwohnung untergebracht.

Die Kinder sind zunehmend aggressiv und laut

„Es war schön, ihn wieder mal um mich zu haben, aber sein ADHS ist sehr ausgeprägt, und das war schon herausfordernd für uns alle“, gibt die Mutter offen zu. Ihre jüngste Tochter Shayenna-Summer geht in die 4f. Auch sie sei hyperaktiv wie alle ihre Kinder, das mache den Alltag mit den verschiedenen Temperamenten anstrengend, sagt die 41-Jährige, während sich ihre Tochter an sie schmiegt.

Sie bezieht Hartz IV. Sie und ihr Lebensgefährte haben rund 2000 Euro im Monat zur Verfügung, davon gehen 800 Euro für die Miete und zusätzliche Festkosten noch ab. Nicht viel Geld für eine sechsköpfige Familie. „Aber ich bin sparsam, und wenn die Kinder über die Schule mit Mittagessen versorgt werden, dann reicht das zusammen mit dem, was ich mir von der Tafel hole, zum Leben“, sagt Stephanie Schaper.

Nur 300 Euro für Lebensmittel im Monat

Jetzt reichen die rund 300 bis 400 Euro, die ihr monatlich für Lebensmittel zur Verfügung stehen, hinten und vorne nicht aus. Die Tafel, von der sie sonst frische Ware bezieht, hat wegen der Corona-Pandemie geschlossen, sie hat zwei Jungs in der Pubertät zu versorgen, „die alleine aus Langeweile derzeit viel futtern“, sagt sie lächelnd.

Sie hat viel Verständnis für ihre Kinder, auch für deren zunehmende Aggression, Unruhe und Lautstärke. „Ihnen fehlen einfach ihre Freunde und Bewegung“, sagt Schaper. Sie bekommt zwei 25-Euro-Gutscheine von Lehrerin Schamp-Wiebe überreicht und ist sehr dankbar dafür. „Das ist eine echte Hilfe, ein Puffer. So kann ich den Kindern auch mal ein bisschen was extra gönnen, wie ein Eis, und muss nicht ständig in den Geldbeutel schauen, ob es reicht“, sagt Schaper.

Durch den Gutschein gibt es mehr Salat und Obst

Sie kocht immer frisch, die Kinder essen gern Salat, Gemüse und sie grillt manchmal ein Hühnchen. Das kaufe sie auch von den Lebensmittelgutscheinen, die sie derzeit jede Woche von der Lehrerin bekommt. Diese muss weiter zu einem Kinderheim, wo eine ihrer Schülerinnen wohnt und die sie nun mit Hausaufgaben versorgen möchte.

Unterwegs trifft sie auf Ulrike Ritter und deren Schwester Christine, die auch an der Fridtjof-Nansen-Grundschule unterrichtet. Allerdings eine dritte Klasse, deren weiterer Schulbesuch noch nicht festgelegt ist. „Ich habe gerade zwei Anrufe von verzweifelten Müttern bekommen. Sie haben Einzelkinder und die flippen offenbar total aus, das hätte ich gar nicht von denen erwartet“, sagt Christine Ritter. Sie organisiert nun, dass zumindest immer ein paar ihrer Schüler in die Schule kommen können. „Manche brauchen Nachhilfe, aber andere müssen einfach mal wieder ihre Klassenkameraden sehen“, sagt sie.

So funktioniert die Spendenaktion:

So kann ich für Lebensmittelgutscheine spenden:Konto „Von Mensch zu Mensch“, IBAN: DE03 2005 0550 1280 2020 01, Haspa, Stichwort: Coronahilfe

Spende auch möglich direkt über Paypal unter https://www.abendblatt.de/kinder-helfen-kindern/spenden/

So komme ich an die Lebensmittelgutscheine:

Keine Einzelpersonen, sondern nur gemeinnützige soziale Initiativen können sich um 25-Euro-Gutscheine bewerben. Sie schreiben mit dem Stichwort: Coronahilfe eine E-Mail an mensch@abendblatt.de. Bitte schreiben Sie, wie viele Gutscheine Sie benötigen und dass Sie Menschen, die in finanzieller Not sind, helfen werden. Wir benötigen als Abendblatt-Verein eine Spendenbescheinigung.

Infos unter Tel. (040) 55 44 711 56 oder -59 und www.abendblatt-hilft.de