Hamburg. Der Kunde sollte sich fragen, ob die Geschwindigkeit bei der Zustellung und der Preis immer die Kaufentscheidung bestimmen müssen.

Dass eine Bilanzpressekonferenz, bei der es in der Regel um nackte Zahlen und eher dröge Fakten geht, emotional wird, geschieht eher selten. Doch am Mittwoch beim Handelskonzern Otto geschah genau dies. Vorstandschef Alexander Birken verließ den üblichen Pfad einer Bilanzvorlage, nutzte die Gunst der Stunde, um einen Appell an die Öffentlichkeit zu richten – und man merkte während Birkens Vortrag, dass es dem Topmanager um mehr als das Geschäft ging. Birken forderte eine Diskussion über Werte – nicht ganz uneigennützig, aber durchaus glaubwürdig und mit viel Empathie.

Der Otto-Chef sprach über den europäischen Rechtsstaat, faire Arbeitsbedingungen, eine angemessene Entlohnung, aber auch über nachhaltiges Wirtschaften und Steuergerechtigkeit. Und er fragte: „Welchen Wert haben diese Prinzipien für uns?“ Dass Birken mit seinen Ausführungen vor allem auf die international großen Otto-Konkurrenten wie Amazon aus den USA und Alibaba aus China abzielte, wer kann es ihm verdenken? Schließlich führt er einen Konzern mit weltweit mehr als 50.000 Beschäftigten, deren Jobs auch vom Verhalten der mächtigen Konkurrenten abhängen. Wenn diese Dumpinglöhne zahlen, ihre Steuern Richtung Null rechnen und nur wenig Wert auf die Umwelt legen, so haben sie eben immense Kostenvorteile, die fairen Wettbewerbern und dem kleinen Einzelhändler um die Ecke schaden.

Dass die Politik diese Ungleichheiten nicht von heute auf morgen abschaffen wird, ist leider auch klar. Bleibt am Ende der Kunde: Er sollte beim Einkaufen und Bestellen im Internet genauer hinschauen, bei wem er sein Geld lässt. Und er sollte sich die Frage stellen, ob die Geschwindigkeit bei der Zustellung und der Preis immer im Zentrum der Kaufentscheidung stehen müssen.