Quickborn. Karin Leutner ist die Chefin vom Ganzen. Dazu gehört auch der Reha-Sport, der im Vergleich zu anderen Clubs sehr breit aufgestellt ist.

Diese tiefe Stille. Sie ist das Ungewöhnlichste bei dieser Übungsstunde des TuS Holstein Quickborn. Die Lautlosigkeit wird nur unterbrochen von kräftigen Atemzügen. Elf Teilnehmer liegen auf Boden, in Seitenlage auf Matten. Zehn Frauen und ein Mann, die im gleichen Rhythmus Luft inhalieren. „Wieder beide Knie zusammen“, fordert gedämpft eine Stimme. „Wir legen den linken Arm auf die rechte Rippenseite. Wieder kräftig durch die Nase ein – und durch den Mund ausatmen. Ausatmen – bis zum Letzten.“ Die Frau schreitet dabei leise durch den Raum und setzt erneut an: „Ausatmen – einatmen.“

Lungensport heißt die Übungsstunde. Im Reha-Zentrum des TuS Holstein kehrt Karin Leutner, die 54-jährige Übungsleiterin, zu ihren beruflichen Wurzeln zurück. Und in gewisser Weise ist es auch eine Krönung ihres Lebens mit und für den Sport. Denn seit mehr als einem Jahrzehntist diese ruhige, sportliche Frau mit dem TuS quasi verheiratet.

In der Schweiz geboren, ist sie in Rendsburg in einer sportlichen Familie groß geworden. Und da das mit dem „groß geworden“ wörtlich zu nehmen ist, war sie als Volleyballerin recht gut, und Handball spielt sie auch heute noch. Übrigens als Mutter von zwei erwachsenen Kindern der ersten Damen, mit Mädchen, die 30 Jahre jünger sind.

„Als ich mit meinem ersten Mann 1986 nach Quickborn kam, fand ich als ausgebildete Sportlehrerin eine Anstellung in der Reha-Klinik von Tönsheide“, sagt Karin Leutner. „Dort gab ich auch Übungsstunden für Patienten mit Asthma und Lungenproblemen, genau wie hier.“ Auf dieser Basis baute Karin Leutner vor drei Jahren den Reha-Sport bei ihrem jetzigen Verein auf. „Es geschah in enger Zusammenarbeit mit dem Ärztezentrum am Ziegenweg, wo wir unseren Übungsraum haben“, sagt sie. Drinnen führt Susanne Damaske die orthopädische Gruppe durch sportliche Übungen zu einem schmerzfreieren Leben. „Vom Lungen- und Koronarsport bis hin zu Diabetes und Krebsnachsorge und auch neurologischen Erkrankungen wie Parkinson reicht unser Angebot“, sagt die Frau, die seit zwölf Jahren beim 2200 Mitglieder starken Gesamtverein mit dem Titel „Sporttechnische Leitung und Jugendwartin“ als hauptamtliche Kraft die Verantwortung trägt. Karin Leutner ist die Chefin vom Ganzen, also für alles, was den Sportbetrieb betrifft, für die Hallenzeiten und Sportstätten sowie die Trainer und Übungsleiter.

„Wie können wir unserem über 100 Jahre alten Turn-und Sportverein die Zukunft sichern? Das ist bei allem, was ich tue, die entscheidende Frage“, sagt die erfahrene Übungsleiterin und Cheforganisatorin. „Das wird für einen traditionellen Sportverein nicht leichter. Die Kinder sind länger in der Schule, also bleibt ihnen weniger Zeit für den Verein. Dazu wächst die Konkurrenz der kommerziellen Sport- und Fitness-Studios. Deshalb müssen auch wir immer Modernes versuchen und Neues anbieten.“ So wie den Reha-Sport, den in dieser Breite kaum ein anderer ehrenamtlich geführter Verein anbietet. Die Teilnahme wird vom Arzt verschrieben. Den Sport gibt es auf Krankenschein. Das Reha-Zentrum ist die dritte Säule, auf der der TuS Holstein seine Zukunft baut.

Der traditionelle Sport mit seinen vertrauten Abteilungen ist noch immer die stärkste dieser Säulen. „Dabei sind etwa 1300 dieser Mitglieder Kinder und Jugendliche, also die Mehrheit des Gesamtvereins“, sagt Karin Leutner. Vor 14 Jahren wurde im Haus mit der Geschäftsstelle, ebenfalls am Ziegenweg, das vereinseigene Fitness-Center eingerichtet, das zweite Standbein also. Als Fitness-Trainerin wies Karin Leutner – sie hieß damals noch Scheidel – einen der Neuen an. „Sie müssen ihren Bauch stärker anspannen. Sie dürfen die Übung auch nicht so schnell machen.“ Dem Mann an der Kraftmaschine müssen die Ratschläge gefallen haben – genauer gesagt die Frau, die sie ihm gab. Seit 2008 sind Hartmut und Karin Leutner ein Ehepaar. Nach dem Vorsitzenden Jürgen Sohn ist er der zweite Mann im Vorstand. „Schon beim Frühstück ist der TuS dabei, oft auch noch am Abend. Nur aus dem Schlafzimmer halte ich den Verein raus.“

Ein Treckingarmband dokumentiert Karin Leutners körperliche Aktivitäten

Was die enge familiäre Bindung zum Sportverein betrifft, da ist auch noch Arne, der Sohn, der Handball spielt, zwei Mannschaften trainiert und auch die Abteilung leitet. Tochter Wieben stand beim TuS im Handballtor. Inzwischen lebt und studiert sie in Hannover, wo sie gerade ihren Doktor der Ingenieur-Wissenschaften macht. Die sportliche Mama, die beim jährlichen Wintersport gerade erst vom Snowboard Abschied genommen hat, ist auch von technischen Neuheiten fasziniert. Das zeigt das weiße Treckingarmband. Sie nimmt es ab und zeigt, was es heute von ihren körperlichen Aktivitäten gesammelt hat. „Bisher habe ich viereinhalb Stunden gestanden oder gesessen, aber auch schon 7833 Schritte gemacht. Dabei bin ich 53 Minuten schnell gegangen und 15 Minuten gelaufen.“ Festgehalten ist auch, dass sie das Spezialarmband kurz nach sechs morgens eingeschaltet hat. „Kurz nach sieben habe ich in der Geschäftsstelle am Schreibtisch gesessen“, sagt Karin Leutner.

Sie ist eine Chefin, die ihre Mitarbeiter an der langen Leine lässt, aber auch großen Wert auf Zuverlässigkeit und enge Teamarbeit legt. „Das Schönste aber“, so die oberste Sportlerin des TuS Holstein, „ist die Arbeit mit den Reha-Gruppen. Da ist so viel Herz dabei. Und auch Fröhlichkeit und Dankbarkeit.“ Und Susanne Damaske, ihre langjährige Vertraute, fügt hinzu: „Schade nur, dass manche erst krank werden müssen, um Freude an der Bewegung und am Sport zu finden.“