Elmshorn. In der Bahnhofswache kümmern sich die Beamten nicht nur um gestrandete Flüchtlinge und Diebstahlsanzeigen. Manchmal helfen sie Reisenden auch einfach nur mit kleinen Tipps weiter

Der Elmshorner Bahnhof ist keine Schönheit und wird es vermutlich auch nicht mehr werden. Keine Station für „Ahs“ und „Ohs“ wie Oberstdorf oder Uelzen, an denen die Leute extra aussteigen, um sich Hundertwassers Baustil oder Holzarchitektur anzuschauen.

Elmshorn ist eher ein bescheidener Bahnhof zum Rein- und Raushuschen aus den Zügen, einer mit schmuddeligen Ecken, Spelunken und aktiver Trinkerszene. Ein deutscher Durchschnittsbahnhof eben, den jeden Tag Tausende Menschen durchlaufen. Vor allem am Wochenende, wenn noch mehr Alkohol im Spiel ist, ist der Bahnhof Elmshorn ein Brennpunkt. Genau wie der in Pinneberg oder Wedel. Frank Stuhr und Thorsten Mohr von der Bundespolizei passen im Kreis Pinneberg bis an die Hamburger Stadtgrenze heran auf, dass nichts aus dem Ruder läuft. Meistens gelingt ihnen das. Die beiden sind auch die ersten vor Ort, wenn Kinder auf den Bahngleisen spielen oder sich Selbstmörder vor den Zug werfen. „Diese schrecklichen Bilder vergisst man nie“, sagen sie.

Diebstähle, Fundsachen und Vandalismus beschäftigen die Beamten

Mit Schutzweste und Pistole sitzen die beiden Bundespolizisten – Frank Stuhr, 46, ist Polizeihauptmeister und Thorsten Mohr, 45, Polizeikommissar – am Tisch der kleinen Wache, die sich neben einem Kiosk am Hauptplatz des Elmshorner Bahnhofs einreiht. Seit ein paar Jahren erst gibt es das kleine Büro, in das sich die Polizisten zurückziehen und Anzeigen bearbeiten können. Taschendiebstähle, Vandalismus an Fahrkartenautomaten, verlorene Rucksäcke in Zügen oder verbotene Ticketverkäufe – das alles landet auf dem Tisch der beiden Bundespolizisten, die über 25 Jahre Berufserfahrung verfügen und schon lange im Team zusammenarbeiten. „Einzelkämpfer brauchen wir hier auch nicht“, sagt Frank Stuhr, stellt seine Tasse Kaffee weg und tritt vor die Tür auf den Bahnhofsvorplatz.

Eine kleine Gruppe Trinker lungert immer in der Nähe der Wache herum, am Wochenende sind es bis zu 30. „Mit denen gibt es kaum Probleme. Wir haben uns arrangiert. Sie lassen uns in Ruhe und wir sie“, sagt Thorsten Mohr schmunzelnd. Wenn die beiden Polizisten mit Uniformen und Schutzwesten so betont lässig daherkommen, kann man sich sowieso nur schwer vorstellen, dass sich jemand mit ihnen anlegen möchte.

Und doch gibt es diese Situationen: Vor zwei Jahren ertappten Stuhr und Mohr einen Fahrraddieb beim Knacken eines Schlosses. „Der Mann war total betrunken und rammte mir plötzlich eine Zange in die Seite“, sagt Frank Stuhr. Sie trifft ihn genau dort, wo die Schutzweste nicht mehr schützt. Seinem Kollegen flog fast noch eine Bierdose an den Kopf. Fast. Frank Stuhr fiel mit Rippenprellung mehrere Wochen aus. „Da denkst du, du hast alles erlebt und dann das.“

Bahnpolizeiliche Aufgaben, so heißt ein Teil der Tätigkeiten der Bundespolizei im Beamtendeutsch. Wenn eine Bahnschranke defekt ist, jemand im Zug unter Drogen durchdreht, illegale Graffitisprayer unterwegs sind oder Kinder im Gleisbett spielen, rückt die Bundespolizei – sie hieß vor zehn Jahren noch Bundesgrenzschutz und zählt heute deutschlandweit 41.000 Beschäftigte – im Kreis Pinneberg innerhalb von 20 Minuten an.

Schlimm sind dabei die Situationen, wenn Kinder auf Gleisen zu Tode kommen. „Wir sind ja alle Familienväter. Besonders gefährlich ist auch der Trend zu Selfies auf den Bahnsteigen, die für manche Teenager ewige Freundschaft symbolisieren und auch einen Kick geben“, erklärt Bundespolizei-Sprecher Hanspeter Schwartz beim Ortstermin in Elmshorn. Auch er hat schon viele Tote im Gleisbett gesehen. Diesen Job macht dann niemand gern, doch die Polizisten sind für solche Fälle psychologisch geschult. „Häufig wollen Leute Abkürzungen nehmen und verunglücken, andere Leute nehmen sich ganz bewusst das Leben“, sagt Schwartz. Besonders viele Fälle gab es nach dem Suizid von Hannover-96-Torwart Robert Enke.

Situationen wie diese gehen auch den Bundespolizisten an die Nieren, wie sie sagen. „Aber wir müssen auch solche Unglücke als unsere Arbeit betrachten und die Ursache ermitteln“, sagt Thorsten Mohr. Er steigt die Treppen zu Gleis 1 empor. Es ist überfüllt mit Schülern, die sich nicht zwischen Rumalbern und Respekt vor den Ordnungshütern entscheiden können. Ein englischsprachiger Fahrgast erkundigt sich, wo er seinen Zug nach Husum erwischen kann. „Das gehört zu unserem täglichen Geschäft, da helfen wir auch gern“, sagt Frank Stuhr. „Einfach hier stehen bleiben“, sagt er und lacht.

Elmshorns verwinkelter Bahnhof mitten im Stadtkern bleibt meistens übersichtlich. Dann reicht es für die Bundespolizei, einfach nur Präsenz zu zeigen. In Flensburg – von dort erhalten die Beamten im Kreis Pinneberg ihre Vorgaben – haben sie natürlich noch andere Aufgaben an der Grenze zu Dänemark. Grenzüberschreitende Überwachung des Verkehrs und Gefahrenabwehr sind die wichtigen Themen.

Auch für Flüchtlinge, die am Bahnhof stranden, sind die Beamten zuständig

Noch werden in diesen Tagen im Kreis Pinneberg nur vereinzelt Flüchtlinge aufgegriffen. Auch dafür ist die Bundespolizei im Rahmen von Aufenthalts- und Asylverfahrensgesetz zuständig. Doch Jörg Radek, bei der Gewerkschaft der Polizei stellvertretender Vorsitzender für den Bereich Bundespolizei, zeichnet ein düsteres Bild: „Die Flüchtlingsströme Richtung Norden werden sich noch erheblich verstärken. Wir entblößen uns durch die Konzentration von 1800 Bundespolizei-Kräften an der deutsch-österreichischen Grenze in anderen Regionen erheblich, und die bahnpolizeilichen Aufgaben leiden. Bahnhöfe sind immer neuralgische Punkte. Gewalttäter werden diese Lücke garantiert finden und ausnutzen. Wir haben die Politik schon vor Jahren auf unsere Personalnot aufmerksam gemacht. Passiert ist lange nichts, und die Quittung bekommen wir jetzt.“

Noch ist das Team Mohr-Stuhr nicht an die Südgrenze abberufen worden. Aber wer weiß heute schon, welche Herausforderungen die Migrationsströme Richtung Nordeuropa in Zukunft mit sich bringen werden.