Madrid.

Halb sieben aufstehen, kurz frühstücken und um neun am Schreibtisch sitzen, das ist der Alltag vieler Spanier. Doch statt am Nachmittag nach Hause zu gehen, sind sie nicht selten vor acht oder neun Uhr abends aus dem Büro zurück. Schuld ist die Siesta: die dreistündige Mittagspause. „Ich habe keine Zeit für meine Familie“, sagt eine junge Mutter. Wie sie würden viele Spanier die Siesta am liebsten abschaffen.

Die meisten Spanier betrachten die mehrstündige „Siesta“ als eine Zwangspause, die ihren Arbeitstag unnötig in die Länge zieht. Frauen klagen, dass sie ihre Kinder erst gegen 21 Uhr von der Tagesmutter abholen könnten. Oder noch später. „In Spanien ist es normal, dass Familien spät nach Hause kommen“, sagt die Sozialpsychologin Sara Berbel Sánchez. Meist sogar erst um zehn oder elf Uhr abends. Vor ein Uhr nachts geht kaum ein Spanier schlafen, heißt es. Was zu Unzufriedenheit und vor allem zu Übernächtigung führe.

„Wir Spanier schlafen im Durchschnitt pro Nacht fast eine Stunde weniger als andere Europäer“, sagte die Ökonomin Nuria Chinchilla. Besonders betroffen seien Kinder und Jugendliche, die im Unterricht gähnen und sich nicht konzentrieren können. „Der Schlafmangel ist eine der Ursachen, weshalb so viele spanische Jugendliche schlechte Leistungen in der Schule erbringen oder die Ausbildung abbrechen“, erläutert Berbel Sánchez.

In einigen Behörden und Unternehmen wächst die Bereitschaft, den Angestellten flexible Arbeitszeiten zu ermöglichen. Das Wirtschaftsministerium gestatte kurze Mittagspausen. Die Mitarbeiter sollen das Büro um spätestens 18 Uhr verlassen.

Ein Leben nach der falschen Uhrzeit

Seit fast zehn Jahren setzt sich die Vereinigung mit einer Rationalisierung der Tagesabläufe (ARHOE) dafür ein, dass Spanien von der Mitteleuropäischen in die Westeuropäische Zeitzone wechselt. „Wir leben mit der falschen Uhrzeit“, sagte der ARHOE-Chef. Ein Wechsel würde den Übergang zu einem kompakteren Arbeitstag ohne Siesta erleichtern. „Insbesondere für Frauen wäre dies eine große Erleichterung“, sagte Berbel Sánchez. Unter den jetzigen Arbeitsbedingungen sei es äußerst schwierig, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren.