Essen .

Schwergewichtler Manuel Charr kämpfte in der Nacht auf Mittwoch den wohl dramatischsten Kampf seines Lebens: im OP-Saal des Essener Uniklinikums. Niedergestreckt von einem Pistolenschuss in den Bauch wurde der 30 Jahre alte Deutsch-Libanese in einer sechs Stunden langen Operation gerettet.

„Ihm geht’s wieder besser, er ist außer Lebensgefahr“, berichten Bekannte knapp zwölf Stunden nach der Bluttat. Das mögliche Motiv rankt sich um verletzte Eitelkeiten, Beleidigungen und Provokationen, die in der verfeindeten Libanon-Community auf blutige Weise eskalieren sollten.

Die Altendorfer Straße in Essen. Es ist 0.43 Uhr, als der Notruf aus einem Dönerimbiss bei der Polizei aufläuft. Über das, was sich in dem Restaurant zugetragen hat, könnte am ehesten das Opfer Auskunft geben. Doch der Kölner Manuel Charr ist nach der schweren Operation kaum ansprechbar. „Sowohl Tathergang als auch Motiv des Täters sind noch unklar“, sagt ein Polizeisprecher. Später berichtet die Staatsanwältin: „Das Opfer hat den Ermittlern den Namen eines Esseners genannt, der geschossen haben soll.“

Offenbar hat das Verbrechen in Essen seinen Ursprung in Grosny, der Hauptstadt von Tschetschenien. Es ist keine zwei Wochen her, dass ihn dort ein lettischer Faustkämpfer namens Mairis Briedis maßlos gedemütigt hat, indem er ihn mit einem K.-o.-Schlag in Runde fünf aus dem Ring gejagt hat.

Am Dienstag schaukelt sich der Streit hoch: Charr kommt nach Essen, und sein Promoter, der Rapper Kay One, ruft seine Anhänger in einem Video dazu auf, vorbeizuschauen. Der Clip zeigt den Boxer in der „Copa Cabana Lounge“, einem Shisha-Laden in der Innenstadt. Ein Libanese erzählt: „Mit seinem großspurigen Auftritt in Essen hat er den Täter so richtig provoziert.“

Während Charr noch auf der Intensivstation liegt, herrscht nach der Schießerei im Dönergrill der Ausnahmezustand. Die Suche nach dem Pistolenschützen blieb ohne Ergebnis.

Charr legte im Boxring eine beachtliche Karriere hin: Nach 21 gewonnenen Profikämpfen steht er 2012 im Zenit seiner Karriere, als er Vitali Klitschko herausfordert – allerdings ohne Erfolg. Von da an ging es kontinuierlich bergab.