Sozialkritisches Drama: „Der Sommer mit Mamã“

Sie hat es nicht so schlecht. Val (Regina Casé) arbeitet im Haushalt einer wohlhabenden Familie in São Paulo. Sie kümmert sich um die Küche und den Pool, hat ein kleines Dienstbotenzimmer in dem großzügigen Haus. Für den 17-jährigen Sohn Fabinho (Michel Joelsas) ist sie eine Art Ersatzmutter, denn seine leibliche Erzeugerin Bárbara (Karine Teles) ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau und möchte mit den Banalitäten des Lebens nicht belästigt werden. Erziehung gehört auch dazu.

Die Hierarchien stehen also fest, als sich plötzlich Jéssica (Camila Márdila) bei Val meldet. Mehr als zehn Jahre haben Mutter und Tochter einander nicht gesehen. Val ließ sie bei ihrem Vater zurück, als sie diesen Job annahm. Nun will Jessica Architektur studieren und muss dazu eine Aufnahmeprüfung bestehen. Sie wohnt so lange bei ihrer Mutter und wirbelt im Haushalt vieles durcheinander. Das Zimmer der Mutter ist ihr zu klein, sie möchte das größere Gästezimmer. Sohn und Vater verlieben sich in sie – sie lässt beide zappeln und badet dann auch noch im Swimmingpool, obwohl der doch für die Herrschaften reserviert ist. Val ist entsetzt.

„Der Sommer mit Mamã“ erzählt eine sozialkritische Geschichte aus Brasilien, die langsam Fahrt aufnimmt, sich dann aber zu einer großen Intensität steigert. Regisseurin Anna Muylaert, die auch das Drehbuch geschrieben hat, zeigt mit subtilen erzählerischen Mitteln, wie die sozialen Verhältnisse in Bewegung geraten. Dabei stellt sie Abhängigkeiten und das Wertesystem ihrer Protagonisten in Frage. Geschickt baut die Regisseurin die Spannung auf und schafft es, keine klaustrophobische Stimmung aufkommen zu lassen, obwohl fast alle Szenen dieses Kammerspiels in Innenräumen ablaufen.

Eine ganz starke Leistung zeigt der brasilianische Kino- und Fernsehstar Regina Casé als Val. Sie spielt eine Frau, die in der Mitte ihres Lebens plötzlich Muttergefühle ausleben kann und dabei ein neues Gefühl für Freiheit und Gerechtigkeit entdeckt.

„Der Sommer mit Mamã“ Brasilien 2015, 110 Min., ohne Altersbeschränkung, R: Anna Muylaert, D: Regina Casé, Michel Joelsas, Camila Márdila, Karine Teles, Lourenco Mutarelli, täglich im Abaton (auch OmU), Zeise; www.pandorafilm.de