Der Philosoph Peter Sloterdijk prüft die Macht der Musik. Und liefert Argumente, warum Wagner für viele Gäste so beschwerlich ist.

Joachim Fuchsberger war es, der uns Mit-Alten den Satz „Das Alter ist nichts für Feiglinge“ geschenkt hat – auch als Titel seiner Autobiografie.

Diese Woche besuchte der Philosoph Peter Sloterdijk für die „Zeit“ die Bayreuther Festspiele, und die Quintessenz seiner „Bayreuther Assoziationen“ lautet, obwohl er das nirgendwo expressis verbis so formuliert: Auch Bayreuth, der Besuch der Wagner-Opern am heiligen Ort, ist nichts für Feiglinge.

Das gilt verschärft, wenn man als Bayreuth-Besucher selbst nicht mehr der Jüngste ist. Das harte Gestühl, die oft unerträgliche Hitze im rustikalen Festspielhaus, das, so bemerkt Sloterdijk, „ein akustischer Glücksfall und ein bautechnisches Verhängnis“ ist, die Schweißdämpfe, die den Lauschenden und Zuschauenden aus dem Orchestergraben entgegendampfen und müffeln, wo sich die unsichtbaren Musiker „Marsch-Erleichterung“ durch Ablegen überflüssiger Kleidung verschafft haben, die langen Wagner-Akte, die nichts für schwache Blasen sind – das alles hat mich im Alter vom Besuch des „Tristan“ und des „Ring“ abgehalten. Wagner ist im Alter nix für mich ­Feigling.

Und Sloterdijk hat mir für meine Enthaltsamkeit gute Argumente geliefert. Transatlantikflüge haben die gleiche Wirkung. Und selbst ein so eingefleischter Bayreuthianer wie Thomas Gottschalk samt seiner aufgeputzten Gattin hat in diesem Jahr orthopädische Schmerzenslaute von sich ­gegeben.

Sloterdijk, O-Ton: „Da Wagners Musik die Beine nicht anspricht, steigt die Thrombose-Gefahr. Jedoch: Oh, Nacht, ich nahm schon Aspirin, die Blutverdünnung ist im Gange.“ Seehofer, Bayerns Ministerpräsident, wurde in diesem Jahr ein Opfer und mit Blaulicht aus dem Musikkerker befreit.

Umso auffälliger, wie unerschrocken unsere Kanzlerin, jetzt auch schon 61, sowohl die Alpen besteigt als auch Wagners Mammutwerke in Bayreuth durchsitzt. Frauen sind die wahren Kerle! Unempfindlich gegen Bläserblech und gedehnte Zeit.

Jetzt hat sie, Bayreuth vor Augen und Ohren, mit Sitzfleisch angedeutet, noch einmal als Kanzlerin anzutreten. Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich, der Bayreuther „Ring“ als Trainingscamp für beinharte Brüsseler Verhandlungsnächte!