Oberhausen .

Als die Warnung ungehört verhallt, greift ein Polizist zur Waffe und drückt ab: In Oberhausen (Nordrhein-Westfalen) hat ein Beamter am frühen Mittwochmorgen auf dem Polizeipräsidium einen Mann erschossen. Der 39-Jährige sei mit einem Messer bewaffnet gewesen, er habe zunächst einen anderen Mann verletzt und danach die Polizisten attackiert, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit.

Gegen 3 Uhr hatte der 39-Jährige in einem Vorraum des Präsidiums der Ruhrgebietsstadt im Streit auf einen anderen Mann dreimal eingestochen. Herbeieilende Beamte hätten den Mann daraufhin mehrfach lautstark aufgefordert, das Messer niederzulegen. Als er dem nicht nachgekommen sei, habe ein Polizist mit einer Walter P99 mehrere Schüsse abgefeuert und den 39-Jährigen erschossen. Für einen Warnschuss sei dabei weder Zeit noch ausreichend Raum gewesen, sagte ein Sprecher der Polizei Essen: „Es ging darum, den Angreifer sofort handlungsunfähig zu machen.“

Der Angreifer hatte weder Alkohol noch Drogen im Blut

Der 39-jährige ist noch auf der Polizeiwache gestorben, obwohl zufällig ein Mediziner anwesend war und den Mann reanimierte. Nach ersten Ergebnissen der rechtsmedizinischen Untersuchung hatte der Angreifer weder Alkohol noch Drogen im Blut gehabt, so der Sprecher. Der Mann war der Polizei vorher auch nicht bekannt. Das 21 Jahre alte Opfer der ersten Messerattacke wurde verletzt. Es habe aber keine Lebensgefahr bestanden, sagte der Sprecher. Am Nachmittag hatte er das Krankenhaus bereits wieder verlassen. Der Mann war mit seiner Freundin auf das Präsidium gekommen. Die Polizei geht derzeit davon aus, dass er den Angreifer nicht kannte. Wie es zu dem Streit kam, müssten weitere Ermittlungen zeigen. „Die Hintergründe des Verbrechens sind noch völlig unklar“, sagte Polizeisprecher Lars Lindemann.

Polizisten dürfen nach Angaben des Innenministeriums aus zwei Gründen schießen: aus Notwehr oder aus Nothilfe für andere. Nach einem Vorfall prüft standardmäßig die Staatsanwaltschaft, ob der Schusswaffengebrauch rechtmäßig war.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigte nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen Verständnis für die Reaktion des Beamten: „Den Kollegen wird im Training beigebracht, nach einer erfolglosen Warnung zu schießen“, sagte der GdP-Landesvorsitzende Arnold Plickert. Einen Warnschuss oder einen Schuss zum Beispiel in die Beine müsse ein Polizist nur abgeben, wenn ihm bei einem Angriff ausreichend Zeit dafür bleibe. Plickert erinnerte trotz des Todesopfers daran, dass auch der Polizist nach dem tödlichen Schuss betreut werden müsse: „Unser Berufsbild ist darauf ausgerichtet, Menschen zu helfen und nicht darauf, sie zu töten.“

Polizei stellt eine sinkendeHemmschwelle zur Gewalt fest

Die Schüsse in Oberhausen seien auch ein Zeichen eines gesellschaftlichen Problems, sagte der GdP-Vorsitzende weiter. „Heutzutage scheint jeder mit einem Messer durch die Gegend zu laufen.“ Die Hemmschwelle zur Gewalt sei wesentlich geringer geworden. Der Mann führte nach Polizeiangaben ein Einhandmesser mit sich – ein Taschenmesser, das sich mit einer Hand aufschnappen lässt.

Der jüngste Fall weckt Erinnerungen an einen angeschossenen Flüchtling in Bonn: Der 23-Jährige hatte am vergangenen Sonnabend in einem Flüchtlingsheim mit einem Landsmann gestritten und diesen mit einem Messer verletzt. Wenig später soll der Mann aus dem Fenster des abgesperrten Heims gesprungen und mit zwei Messern auf Polizisten losgegangen sein. Dabei wurde er angeschossen und verletzt.