Kreis Pinneberg. Immer mehr ältere Menschen im Kreis Pinneberg kommen nach Angaben der Awo-Schuldnerberatung nicht mehr mit ihrem Geld aus

„Sie kommen mit großer Scham“, sagt Mechtild Kuiter-Pletzer. Und sie werden immer mehr: Rentner in der Schuldenfalle. Häufig haben sie einen Kredit aufgenommen, als sie noch im Berufsleben standen, weiß die Leiterin der Schuldnerberatung der Arbeiterwohlfahrt (Awo) im Kreis Pinneberg. Als Rentner könnten Betroffene dann den Kredit nicht mehr bedienen. Entweder falle das Ruhestandsgeld geringer aus als erwartet, oder Nebentätigkeiten brächen weg, die von der Bank bei der Berechnung einbezogen wurden.

„Die Zahl der Rentner, die sich an uns wendet, steigt“, sagt Mechtild Kuiter-Pletzer. Rund zehn Prozent Besucher mehr als im Jahr zuvor kamen in die Beratungsstellen. Insgesamt stagniere die Anzahl der Beratungen der Awo auf hohem Niveau, so Mechtild Kuiter-Pletzer bei der Vorstellung des Berichtes für 2014. Mit 5154 Anfragen liege man geringfügig unter der Zahl von 2013 mit 5188. Vor allem gestiegen seien nach Angaben der Awo-Experten die zeitaufwendigen Intensivberatungen.

Um rund fünf Prozent gestiegen ist die Zahl der Ratsuchenden, die trotz Arbeit ihre Verbindlichkeiten nicht zahlen können. Angewachsen ist auch die Zahl der Menschen, die mit 2000 bis 3000 Euro eher gering verschuldet sind, dies jedoch subjektiv als starke Belastung empfinden. Obwohl es relativ einfach sei, ihnen Wege aus der Verschuldung zu weisen, sei dazu viel Einfühlungsvermögen und Zeit nötig, sagt Mechtild Kuiter-Pletzer.

Immer mehr Migranten haben mit hohen Handyrechnungen zu kämpfen

Deutlich gesunken sei die Zahl der Beratungen von Klienten, die von Arbeitslosengeld II leben. Neu kommen hingegen verstärkt Migranten in die Beratungsstellen. Für viele von ihnen ist die Kommunikation mit Angehörigen in der Heimat ein wichtiges Bedürfnis. „Handyverträge abschließen ist einfach“, berichtet die Awo-Chefin, „aber dann kommen die Rechnungen.“ Angesichts der derzeitigen Entwicklung und ihrer Erfahrung erwartet Kuiter-Pletzer, dass die Zahl der Flüchtlinge in den Beratungsstellen weiter zunehmen wird.

Die Finanzen der meisten Ratsuchenden geraten wegen äußerer Einflüsse wie Krankheit, Arbeitslosigkeit, Tod des Partners oder Trennung aus dem Lot. Mechtild Kuiter-Pletzer berichtet von drei Männern, die in der jüngeren Vergangenheit zu ihr kamen. Mit Monatseinkommen zwischen 5000 und 10.000 Euro seien sie „ganz oben“ gewesen und als Folge von psychischen Problemen zum Fall für die Schuldnerberatung geworden. „Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal vor Ihnen sitze“, habe sie von einem dieser Männer gehört.

Wer ein „P-Konto“ beantragt,bekommt einen Pfändungsfreibetrag

Auch durch persönlichen Leichtsinn im Konsumverhalten kann man zum Fall für die Beratungsstelle werden. „Diese Menschen haben ihre Bedürfnisse, und wollen sie gleich befriedigen“, so die Leiterin der Awo-Stelle. Null-Prozent-Kredite, etwa für Möbel, Reisen und Autos machten dies möglich. Durch kleine Raten und eine lange Laufzeit sind die Angebote verlockend, erklärt Kuiter-Pletzer. Beim dritten oder vierten Kredit wird dann oft die Grenze der finanziellen Belastbarkeit überschritten. Besonders alleinstehende Männer unter 30 Jahren geraten so in die Schuldenfalle, weiß die Beraterin. Als „gute Prävention“ wird von der Awo-Beraterin die Einführung des „P-Konto“ gewertet. Wer dies bei seiner Bank beantragt, hat einen Pfändungsfreibetrag von 1079,99 Euro. Für weitere Personen im Haushalt erhöht sich diese Summe. „Die Menschen leben dann mit der Sicherheit, dass ihnen das Nötigste zum Leben nicht weggepfändet wird“, erklärt Kuiter-Pletzer.

Die Arbeit der Awo-Beratungsstelle wird mit 240.000 Euro vom Land für die Insolvenz- und 140.000 Euro vom Kreis für die Schuldnerberatung unterstützt. Vom Sparkassen- und Giroverband fließen zusätzlich jährlich 33.000 Euro zur Awo. Die Berater sehen zudem neue Herausforderungen auf sich zukommen. So müssen in Gesprächen mit Migranten häufig auch Sprachschwierigkeiten überwunden werden.

Manchmal brauchen auch die Helfer selbst Unterstützung. „Auch nach 18 Jahren Beratungstätigkeit gibt es Fälle, die ich mit nach Hause nehme“, erzählt Mechtild Kuiter-Pletzer. Wichtig sei das Gespräch mit Kollegen. Es würden jedoch verstärkt von den Awo-Beratern Fortbildungen und Workshops genutzt, um mit dem Druck immer komplexer werdender Fälle und gestiegenen Anforderungen klarzukommen.