Im Stau können leidgeprüfte Autofahrer auch Dauerbeschallung erleben – der Vordermann muss nur Heavy-Metal-Fan sein

Neulich kurz vorm Stau in Pinneberg (wo denn sonst?): Gemächlich rolle ich mit meinem Auto auf das Ende der Fahrzeugschlange zu. Nun bin ich das Schlusslicht. Vor mir rastet und rostet ein angejahrter VW-Bus. Der mattschwarz getönte Veteran, beziehungsweise dessen Eigentümer, ist eindeutig Heavy-Metal-Fan: Darauf weist nicht nur das aufgemalte WOA-Logo (steht für Wacken Open Air) hin. Unüberhörbar ist vor allem eine volle Dröhnung, die aus der fahrbaren Juke-Box hämmert.

„Highway to hell” – frei übersetzt: Auf der Autobahn in die Hölle – so hieß doch mal ein Titel der betagten Schwermetall-Combo AC/DC fällt mir ein, während das Blech meines Autos im Takt der Bass-Attacken mitswingt. Wer hätte damals wohl gedacht, dass auf so einem Höllentrip auch Staus zu überstehen sind?

Während die Kolonne im Schritttempo ein Stück vorrückt, versuche ich etwas Abstand zum WOA-Van zu gewinnen. Doch noch immer bekomme ich gehörig Watt auf die Ohren. Mein früherer HNO-Arzt hatte schon vor 20 Jahren vor bleibenden Hörschäden bei derart intensiver Dauerbeschallung gewarnt. Ob die Bulli-Besatzung voraus trotz der Hornhaut auf den Trommelfellen schon mal etwas von Mozarts „Kleiner Nachtmusik“ gehört hat, geht es mir durch den Kopf. Dann wohl schon lieber „Roll over Beethoven“, wie es Chuck Berry als früher Rock ’n’ Roller in den 50er-Jahren empfahl. Beethovens fünfte (nicht die Geliebte, sondern die Symphonie) hatte immerhin auch schon mächtig Wumm mit ihrem „Tatata - taaah!!!” als Auftakt. Gar nicht zu reden von den Brachial-Klängen, die Johann Sebastian Bach und Richard Wagner zu Notenpapier brachten.

Obwohl es auch bei den alten Meistern und ihren Werken durchaus zu Missverständnissen und Missklängen kommen kann. Dazu gehört ein Klassiker, der längst zum Kalauer geworden ist: Beim Liederabend bemüht sich die Sopranistin, sämtliche Sprossen auf der Tonleiter zu erklimmen. „Vivaldi”, seufzt ein Zuhörer.

„Nein, das ist nicht Vivaldi, das ist Schubert”, korrigiert ihn sein Nachbar.

„Ich weiß. Ich meine die Sängerin. Sie jault wie Waldi, unser Dackel.”

Schluss jetzt. Der Stau hat sich aufgelöst. „Freude schöner Götterfunken” – es gibt wieder freie Fahrt!