Heist/Uetersen. Jean-Philipp Sievers hebt mit seinem Flieger in Uetersen-Heist ab, um mit Riesenbannern zu werben – oft für Firmen, aber auch um die Gunst von Frauen

Eigentlich wollte er mal Jurist werden. Doch nach dem Studium und dem ersten Staatsexamen löste sich die berufliche Lebensplanung von Jean-Philipp Sievers buchstäblich in Luft auf: „Die Faszination des Fliegens hatte mich wieder gepackt.” Wie schon mit 16 Jahren, als er auf dem Flugplatz Uetersen-Heist begann, den ersten Schein zum Führen eines Segelflugzeugs zu erwerben. Später heuerte der Hobbyflieger – nun schon im Besitz der Pilotenlizenz für Motorflug – bei einem Luftfahrtbetrieb als freier Mitarbeiter an und ließ sich zum Schlepp- und Bannerflieger ausbilden.

Mittlerweile ist der 52-Jährige als selbstständiger Berufspilot schon seit 26 Jahren mit seinem Ein-Mann-Unternehmen Aerial Sign vom Flugplatz Uetersen-Heist aus in der Luftwerbung tätig. Dass er sein Metier beherrscht, haben seitdem Millionen Schaulustige miterlebt. Wenn Sievers mit seiner einmotorigen Piper PA 12 Super Cruiser bunte Werbebotschaften wie Riesenposter, Transparente und Buchstabenbanner am mehr als 50 Meter langen Seil hinter sich her zieht, ist ihm großes Publikumsinteresse sicher.

Noch exklusiver und spannender ist es allerdings, als Besucher auf dem Heister Grasflugplatz zu beobachten, mit welcher Präzision sich Sievers seine luftigen Werbeträger und Grußbotschaften als Anhängsel vom Boden aufpickt. Zunächst startet der Profipilot mit seiner 68 Jahre alten orangefarbenen Piper zu einer verkürzten Platzrunde. Im Cockpit hat Sievers zuvor einen Wurfanker mit drei Widerhaken verstaut. Dieser ist über eine zusammengelegte, zwölf Meter lange Leine am Rumpf entlang mit einer Halterung im Heck des Flugzeugs verbunden. Kurz nach dem Start wirft der Pilot den Anker aus dem offenen Cockpitfenster. Dann schwebt er mit dem Schlepptau am Heck im Sinkflug auf sein Ziel neben der Landebahn zu. Dort liegt über zwei Pfosten gespannt eine Zugseilschlaufe des zusammengefalteten Werbebanners. Jetzt gilt es, das Flugzeug so zu manövrieren, dass sich der Anker in der Schlaufe des 40 Meter langen Bannerseils verhakt. „Das klappt oft sogar im ersten Anflug”, sagt der Pilot mit mehr als 5000 Flugstunden.

Gelingt das Kunststück, gibt es einen kräftigen Ruck, Sievers beschleunigt mit Vollgas, und der fliegende Werbeträger entfaltet sich sekundenschnell in voller Pracht. Mit 100 Kilometern pro Stunde beginnt dann der mindestens einstündige Rundflug.

Die Banner im Schlepptau desFlugzeugs sind bis 40 Meter lang

Die Kraft des 150 PS leistenden Propellermotors reicht aus, um mit der top-restaurierten Piper Banner mit einer Fläche bis zu 300 Quadratmetern zu schleppen. Auf Riesenpostern bis 40 Meter Länge lassen sich auf Kunststofftuch, wie es bei Spinnaker-Segeln verwendet wird, im Vierfarb-Digitaldruck alle Fotos, Farben, Schrifttypen und Logos darstellen. Diese Monumentalbanner werden bei einem Segelmacher zusammengesetzt und mit Stangen und Tauen aufgetakelt. Die Kosten belaufen sich je nach Größe und Auftragsumfang auf 5000 bis 10.000 Euro. Doch auch andere Drucktechniken sind möglich. Einige Banner hat Sievers sogar selbst mit Pinsel und Farbe nach den Vorgaben der Kunden gestaltet. Beim Aufbau der Banner-Takelage neben der Piste hilft ihm der Student Marius Dreger.

„Der Flugplatz Uetersen-Heist ist für mich der ideale Ausgangspunkt”, sagt der Pilot. Kein Wunder: Denn die benachbarte Metropole Hamburg liegt nur einen paar Flugminuten entfernt. „Die Luftwerbung braucht Veranstaltungen unter freiem Himmel, um erfolgreich zu sein”, erklärt Sievers seine Geschäftsgrundlage. Für diesen Zweck hat die Hansestadt vor allem in der Hauptflugsaison von Frühjahr bis Herbst genug zu bieten. Events wie Hafengeburtstag und Alstervergnügen, Sportspektakel wie die Cyclassics und der Marathon, Bikertreffen wie der Motorradgottesdienst rund um den Michel und die Harley-Days auf dem Großmarkt locken Hunderttausende Besucher und Teilnehmer an, die dann auch den „Reklameflieger”, wie es früher hieß, in 300 bis 450 Meter Höhe dahinziehen sehen. In der Sommersaison ist Sievers, dessen Arbeitsbereich den Luftraum zwischen Bremen und Fehmarn sowie östlich bis nach Rostock umfasst, auch über den Stränden von Nord- und Ostsee regelmäßig im Einsatz, um den Urlaubern beim Sonnenbaden etwas luftige Abwechslung zu bieten.

Private Auftraggeber liegen demPiloten besonders am Herzen

Zu den Stammkunden von Aerial Sign zählen ein Vergnügungspark in Sierksdorf ebenso wie ein Norderstedter Erlebnisbad und ein Hamburger Profi-Fotoservice. Auch Firmen im Kreis Pinneberg aus der Teppich-, Einrichtungs- und Küchenbranche sorgen für guten Umsatz bei Sievers’ Luftfahrtunternehmen.

Besonders am Herzen liegen dem Piloten allerdings private Auftraggeber, die meist zu familiären Anlässen aller Art Buchstabenbanner bis zu einer Länge von 50 Metern bestellen. Die gibt es für 400 bis 500 Euro. Ob nun Opas 90. Geburtstag ansteht oder eine Goldene Hochzeit mit einem flatternden Glückwunschband als Sahnehäubchen gekrönt werden soll: Sievers setzt die Texte des Buchstabenbanners eigenhändig in Abstimmung mit dem Auftraggeber zusammen und steuert dann später wie verabredet den vereinbarten Schauplatz an.

Im Laufe seiner Berufsjahre hat Jean-Philipp Sievers schon zahlreiche Eheanbahnungen per Textbanner arrangiert. „Auftraggeber sind meistens die männlichen Partner”, sagt der Hochzeitsstifter. Einer Botschaft wie beispielsweise „Lena, willst Du mich heiraten?” können die wenigsten der umworbenen Damen widerstehen. Oft fliegt Sievers dafür Gartenlokale oder Gastronomiebetriebe mit guter Aussichtsperspektive an. Früher war das Drehrestaurant im Hamburger Fernsehturm ein beliebtes Ziel für solche luftigen Anträge.

Zweimal erhielt Sievers sogar einen Auftrag, eine zerbrochene Beziehung mit einer Botschaft wie „Christine, Du bist mein Leben!” wieder zu kitten. In einem Fall gab es ein paar Tage später eine Rückmeldung. Das wiedervereinte Paar spendierte dem fliegenden Friedensstifter eine Flasche Sekt. Von der anderen Beziehung hat Sievers nie wieder etwas gehört. . .