Quickborn. Früher züchtete Hans-Peter Kühl Borstenvieh – nun ist er größter Erdbeerbauer im Kreis Pinneberg. Saisonstart für Selbstpflücker

Es gab Zeiten, da grunzten die Mastschweine im Stall, und das prächtige 1909 erbaute Bauernhaus an der Pinneberger Straße 92 in Quickborn-Renzel umwehte ein – sagen wir mal vorsichtig – strenger Geruch. Bis vor 15 Jahren kamen die vergitterten Lastwagen regelmäßig vorbei, um die Schweine abzuholen, für die es nur einen Weg gab – zum Schlachter.

Doch seitdem ist der Hof von Landwirt Hans-Peter Kühl zu einem Ort der Freude geworden – zu einem Erdbeerhof. Da strömen die Menschen auf die Felder, um sich selbst die Körbe mit den roten Früchten zu füllen. Dazu picknicken sie, trinken Erdbeersekt und decken sich mit frisch gekochter Marmelade ein. Nächste Woche ist bei den Kühls wieder Saisonstart.

Mittlerweile ist Kühl der größte Erdbeerbauer im Kreis Pinneberg

Nun soll es keinesfalls so wirken, als hätte Bauer Kühl die Menschen mit seinem Fleisch für köstliche Wiener Würstchen und würziger Cervelatwurst damals nicht auch glücklich gemacht. Ganz im Gegenteil. „Aber die Preise für Schweinefleisch gingen immer mehr in den Keller. Der Ertrag für die Menge Arbeit war zu wenig. Und dann die ganzen Gesetze“, sagt Hans-Peter Kühl. Seine Frau Monika, die mit Jack-Russell-Terrier Ida auf dem Feld vorbeischaut, wirft ein: „Was haben wir damals bloß geackert.“ Stallzeit statt Freizeit war über Jahre das Motto.

Dann hatte Bauer Kühl die clevere Idee mit den Erdbeeren. Der Landwirtschaftsmeister studierte das Fachgebiet auf Erdbeermessen in Karlsruhe und Hannover und erfuhr so, welche Sorten am besten für die lehmigen, fetten Böden in Ellerbek und Renzel – dort haben die Kühls Selbstpflück-Felder – geeignet sind. „Mir wurde schnell klar, dass wir verschiedene Sorten brauchen, die nacheinander reif werden und eine Ernte von Anfang Juni bis 10. Juli garantieren. Heute haben wir zwölf verschiedene Sorten angebaut wie auf einem Schachbrett“, sagt Bauer Kühl. Seine Schweine wurden immer weniger, und irgendwann verschwand das Grunzen ganz.

Mittlerweile ist Hans-Peter Kühl der größte Erdbeerbauer im Kreis Pinneberg. Doch der Mann mit Schnurrbart, Fleecejacke und Längsstreifenhemd darunter bleibt bescheiden und redet nicht gerne über Erntemengen und Hektar. Lieber über die Erdbeere an sich, die mit ihren Mineralstoffen schon in der Antike beliebtes Heilmittel vor allem bei Leber- oder Gallenleiden war. Auch Pocken und Masern rückte man mit der süßen Frucht zu Leibe. Schon Dichter inspirierte die Erdbeere: So beschreibt Hoffmann von Fallersleben, Verfasser des „Deutschlandsliedes“, im 19. Jahrhundert die Erdbeersuche als Paradies im Himmel: „Welch Entzücken! Erdbeer’n suchen/ Und im Schatten bei den Buchen/ Auf den Matten Erdbeer’n pflücken!/ Wollt’s uns glücken! Welch Entzücken!“

Da der Mai zu kalt war, müssen Erdbeerpflücker in diesem Jahr länger warten

Doch vor der Ernte steht eine Menge Arbeit an. Mit einer speziellen Maschine werden die Mini-Erdbeeren gepflanzt, die beiden darauf folgenden Jahre kann dann geerntet, und zwischendurch jede Menge Unkraut gejätet werden. „Anschließend wird das ganze Feld wieder umgepflügt und die Fruchtfolge verändert. Die Erdbeeren werden mit den Jahren immer kleiner.“ Bevor die Selbstpflücker auf das Feld dürfen, streuen die Erntehelfer Stroh zwischen die einzelnen Reihen. Das bindet die Feuchtigkeit, schützt die Pflanzen vor Pilzen, stoppt das Unkraut und sorgt dafür, dass nicht so viel Erde an die Beeren spritzt, wenn der Regen prasselt.

Die Erdbeeren sind eine Wissenschaft für sich, über die Bauer Kühl so ziemlich alles weiß. „Die Leute wollen am liebsten süße, aromatische und weiche Früchte. Nicht so sehr die aus Spanien, die so hart gezüchtet sind, dass sie den langen Transport überstehen.“ Allerdings mögen auch Schnecken, Rehe, Hasen und Vögel süße Früchte und leckere Triebe. Auch die muss sich Bauer Kühl so gut es geht vom Leibe halten. „Gegen die Rehe haben wir einen Zaun gezogen. Sonst wäre alles weggefressen“, sagt der Bauer. Ziemlich gierig und gefräßig sind auch manche Erdbeerdiebe, die nach Pflückschluss noch die Felder am Krelohweg in Renzel oder an der Ellerbeker Kellerstraße plündern. Mit denen ist Bauer Kühl streng: „Die kriegen eine Anzeige.“

Da der Mai zu kalt war, müssen die Erdbeerpflücker in diesem Jahr etwas länger auf ihr Glück warten – nächste Woche sollte es nach den warmen Tagen aber soweit sein. „Wer selbst pflückt, spart die Hälfte“, sagt Monika Kühl, die damit rechnet, dass das Kilogramm für rund drei Euro zu haben ist. Einen aufgeblähten Scheunenverkauf mit Riesenklettererdbeere, Strohhüpfen oder Bonbonfabrik wie auf anderen Höfen im Norden wird es bei den Kühls in Quickborn zwar nicht geben, dafür aber jede Menge süße Früchte.

Anlegemanöver am Ponton in Lühe, der Geruch von Currywurst-Pommes mischt sich mit dem süßlich-fischigen der Elbe. Auch hier: Vorsicht. „Schifffahrt ist niemals gleich und Anlegen schon gar nicht“, warnt Edgar Baumgarten, während Bernd Meyer schon auf dem Sprung ist, die Fähre festzumachen. Der Kapitän geht von der Brücke und ruft seinem Helfer zu: „Böööörnichen. Ich geh mal eben runter.“ In Lühe ist also Zeit für eine kurze Pause. Bernd Meyer macht den Sauberkeitscheck auf dem Unterdeck und Kapitän Baumgarten zeigt stolz die Maschine des 2012 gebauten Schiffes. Auch die ist natürlich ein paar Nummern kleiner, als bei Ungetümen wie der „Hyundai Smart“, wo das Kraftwerk schnell die Größe eines Einfamilienhauses erreicht und eine Kleinstadt mit Energie versorgen könnte.

„Natürlich vermisse ich manchmal das Abenteuer und die Reisen in fremde Länder. Vor allem Häfen in Dänemark und England bin ich sehr gerne angelaufen. Dort waren die Menschen unheimlich freundlich und aufgeschlossen. Aber tauschen möchte ich nicht mehr“, sagt Edgar Baumgarten und steigt die Treppe zur Brücke hinauf.

Ein paar Stunden später - die „Hyundai Smart“, das fahrende Kaufhaus für Europa, das wie die anderen stählernen Ungetüme die Menschen täglich an die Elbe lockt - wird längst im Hamburger Hafen gelöscht. Viel Zeit bleibt nicht für die Crew, um an Land zu gehen und dem gefühlten Gefängnis Schiff zu entkommen.

Edgar Baumgarten hingegen hat Feierabend, legt in Kehdingen die Beine hoch und sieht noch ein wenig fern. Schon morgen wird er dem frisch beladenen, dicken Pott von seiner Nussschale aus „Goodbye“ sagen.