Warum man den Fußball, das bestverkaufte Freizeitvergnügen, trotz Fifa-Skandals nicht mit zu viel Moral aufpumpen sollte

Nun ist er also endlich zurückgetreten, der umstrittene, verhasste, korruptionsverdächtige Präsident des wichtigsten Sportverbandes der Welt, der Fifa, Sepp Blatter. Die Zeitungen feiern das mit Schlagzeilen, als wäre Kim Jong-un, der letzte finstere Vertreter der finstersten Diktatur der Welt, zurückgetreten, oder Assad, der Schlächter und Diktator von Damaskus, würde sich freiwillig dem internationalen Gerichtshof in Den Haag stellen. „Blatter ist weg. Endlich!“, schreibt der „Spiegel“ in seinem Titel.

Als hätten sie jahrzehntelang in seinem „Schattenreich“ nur zähneknirschend nicht aufgemuckt, melden sich die angeblichen Lichtgestalten des Fußballs und wagen den verbalen Aufstand gegen Blatter, etwa Michel Platini, ein wunderbarer Weltmeister-Fußballspieler und Präsident des europäischen Fußballverbands, der Uefa, der mit Boykott und Austritt der europä­ischen Fußballvereinigung aus dem Weltverband gedroht hatte.

„Ham Sie’s nicht ne Nummer kleiner?“, möchte man den von Blatter angeblich versklavten Funktionären zurufen. Sie haben ja Blatter schon mit geballter Faust in der Tasche wiederwählen lassen. Ohne Konsequenzen. Und nur das FBI hat Blatter aus dem Amt gedrängt. Aber nicht so ganz. Noch fährt er täglich in sein Zürcher Büro. Er ist zwar ein Scheusal an Korruption, aber seinen Dienstgeschäften darf er noch nachgehen, bis ein neuer Schurke gewählt wird. Man darf annehmen, dass er in seinem Büro heftig schreddert und Spuren verwischt. Darüber sind andere nicht mal traurig.

Etwa Platini, der vor Entrüstung bibberte und den Korruptionsfall Katar, das nur durch Bestechung zur WM kam, oder Russland, anklagend anmahnte. Platini hat nicht nur für Katar gestimmt, er hat seinem Sohn einen Posten im Emirat verschafft, mit dem sich dieser eine goldene Nase verdient. Wie hatte es Goldwyn gesagt: „Nepotismus ist nicht schlimm, solange er nur in der Familie bleibt.“ Rummenigge, FC-Bayern-Boss, ist wie andere Uefa-Funktionäre mit teuren Uhren beschenkt aus Katar zurückgeflogen. Und wurde vom Zoll erwischt. Dumm gelaufen! Bei Beckenbauer, der Lichtgestalt des deutschen Fußballs, ist Blatter ein unverzichtbarer Freund. Kein böses Wort. Sie haben so manchen Deal eingefädelt, so die WM 2006, das deutsche Sommermärchen. Das hat bestimmt manchen Schmierlappen gekostet.

Sei’s drum! Fußball ist keine Weltregierung, sondern das bestverkaufte Freizeitvergnügen – und die lukrativste TV-Unterhaltung der Welt. Frei nach Brecht: Erst kommt das Spielen, dann kommt die Moral. Auch mir geht es nicht anders. Blatter hin oder her.