Jeck im Sunnesching! Eine Kölner Fangemeinde lädt zu Kostümfesten mitten im Sommer. Nur die Brauchtumshüter sind dagegen

Wer Kölsch im „Hätze“ hat, also in seinem Herzen, und mit Kölsch nicht nur die regionale Bierspezialität meint, sondern die Lebensart im Schatten des Domes, der kommt auf Ideen, die mit dem Prädikat jeck nur ungenügend beschrieben sind. So hat sich in Köln, der Hochburg des rheinischen Frohsinns, eine Fangemeinde gefunden, denen die Karnevalszeit (up Kölsch: die Session), nicht genug Narrenfreiheit verspricht angesichts der überschaubaren Spanne zwischen dem 11.11. um 11.11 Uhr bis zur Fastenzeit gut drei Monate später. Deshalb feiert ein harter Kölner Kern in diesem Jahr Karneval im August.

Das Motto: „Jeck im Sunnesching“. Mit „verrückt im Sonnenschein“ kann das nur fehlerhaft ins Hochdeutsche übersetzt werden. „Am Aschermittwoch ist alles vorbei, die Schwüre von Treue, sie brechen entzwei ...“. Das kann es jedenfalls nicht gewesen sein. Gleichzeitig wird mit dem Sommer-Fastelovend ein alter Traum wahr: „Fiere ohne ze friere“ („Feiern ohne zu frieren“). Das klingt nach Karneval in Rio – nur diesmal am Rhein, endlich der passende Klimawandel für Samba, knappe Kostümchen und heiße Bikini-Rhythmen.

Die Keimzelle für den August-Karneval liegt im Traditionslokal Unkelbach, wo man weiß, wie schnell die 500 Karten für die Sitzung im eigenen Saal (Stückpreis 20 Euro) vergriffen sind. Am 30. April um 17 Uhr liegt das gesamte Kartenkontingent „pro Person maximal 5 Stück“ an einer Kölner Adresse bereit. Im Internet heißt es vorsichtshalber: „Danach ist die Veranstaltung ausverkauft! Bitte keine Anrufe mehr im Unkelbach.“ Gefeiert wird am 29. August aber noch in mindestens 100 anderen Kneipen, unterstützt von einer ortskundigen Brauerei, die weit über den eigenen Absatz hinausblickt und die Gastronomie durch Nichtraucherschutz und „überzogene Sky-Gebühren“ schon genug gebeutelt sieht.

Nur die offiziellen Traditionshüter verstehen den Sommerspaß nicht. Das Kulturgut Kölner Karneval sei ein „jahrhundertealtes Winterbrauchtum“ und „keine bloße Marketingaktion“, klagt Fest­komitee-Prä­sident Markus Ritterbach.

Was wohl so viel heißt wie: Wahrer Karneval ist nur, wenn das Herz kalt bleibt.