Die Möbelkiste in Wandsbek hilft mit ihrem Angebot nicht nur Menschen mit geringem Einkommen. Sie ist auch für die Ehrenamtlichen, die sich hier in vielen Feldern engagieren, ein Gewinn. Von Ann-Britt Petersen

Sofas, Tische, Regale und Betten reihen sich in der Verkaufshalle aneinander. Alle Stücke sehen aus wie neu, die Preise sind moderat. Ein Bett gibt es schon ab 20 Euro, einen Esstisch aus Holz mit sechs Stühlen für 60 Euro. In der Möbelkiste Wandsbek finden Kunden mit schmalem Geldbeutel günstige Einrichtungsgegenstände. Sie stammen als Spenden aus Privathaushalten oder aus den Lagerbeständen eines bekannten Möbelhauses.

„Wir möchten Menschen mit geringem Einkommen mit gut erhaltenen und zeitgemäßen Möbeln versorgen“, sagt Klaus Reese von der Möbelkiste Wandsbek. Der Sozialpädagoge koordiniert das Projekt Möbelkiste, das bei der Hamburger Kinder- und Jugendhilfe e. V. angesiedelt ist. Der Verein betreibt Jugendhilfezentren sowie weitere Angebote für Jugendliche und Familien in der Hansestadt. Zudem ist er Träger der Möbelkiste Neu-Wulmstorf an der Hamburger Stadtgrenze. „Dort arbeiten Jugendliche innerhalb eines Projektes, das sie auf das Berufsleben vorbereitet“, sagt Reese, der auch dieses Projekt betreut. 2014 hatte er mit einigen der „Jungs aus Neu-Wulmstorf“ spontan ein Zimmer für die nach einem Unfall schwerbehinderte Shawny in einer betreuten Wohnung eingerichtet. Auf der Seite von „Mensch zu Mensch“ hatte er einen Bericht über Shawny gelesen, „ihr Schicksal hatte mich sehr gerührt“, sagt er.

Die Möbelkiste Wandsbek wurde erst im vergangenen Jahr eröffnet und hier übernehmen Ehrenamtliche alle anfallenden Arbeiten. „Das fing schon mit der Renovierung der ehemaligen Reifenhallen an“, sagt Reese. Ehrenamtliche verlegten Leitungen, legten Fliesen. Inzwischen sind die herausgeputzte Verkaufshalle und das angrenzende Lager viermal die Woche geöffnet. Dann können Kunden vorbeikommen, nach passender Einrichtung schauen und sie gleich mitnehmen.

Ob Familien oder Studenten, Arbeitslose oder Rentner, in der Möbelkiste sind alle willkommen. „Wer hier einkaufen möchte, muss einen Nachweis über geringes Einkommen vorlegen, etwa einen BAföG- oder Hartz-IV-Bescheid“, sagt Marianne Respondek. Die 72-Jährige ist von Beginn an als Ehrenamtliche bei der Möbelkiste dabei und für die Kasse zuständig. Die Kunden müssen in bar bezahlen. Die Erlöse der Möbelverkäufe fließen in die Miete für das Gebäude, erklärt die herzlich wirkende Frau, die bis zu ihrer Rente in einem Unternehmen als Bürofachangestellte gearbeitet hat. Aus vielen Gesprächen mit den Kunden weiß sie, wie wertvoll die Möbelkiste für die Käufer ist. „Als ich noch gearbeitet habe, kannte ich nur Leute, die ebenfalls berufstätig waren. Erst hier habe ich arme Menschen und ihre Geschichten kennengelernt“, so Marianne Respondek. Und für sie opfert sie bereitwillig ihre Freizeit. „Ich bin gerne unter Menschen“, sagt die Witwe, deren einziger Sohn vor zwei Jahren plötzlich starb.

Auch Patrik Jatsch setzt seine Arbeitskraft gerne für soziale Projekte ein. Der 39-Jährige ist einer von bislang zwei Bundesfreiwilligendienstlern, den sogenannten Buftis, in der Möbelkiste. „Ich war längere Zeit krank und möchte nun ins Berufsleben zurückkehren“, sagt der gelernte Einzelhandelskaufmann, der in der Möbelbranche gearbeitet hat. Um im Arbeitsleben wieder Fuß zu fassen, waren ihm der Umgang mit Menschen und eine abwechslungsreiche Aufgabe wichtig. Nun arbeitet er für ein geringes Taschengeld für ein Jahr mit. „Hier bin ich sozusagen Allrounder, ich übernehme mal kleine Reparaturen oder auch das Abholen und Liefern von Möbeln“, sagt Jatsch. Gemeinsam mit dem zweiten Bufti Volker Stauder, 56, ist er auch für die Tourenplanung zuständig. „Bevor wir Möbel von privaten Spendern mitnehmen, schauen wir sie auf mögliche Schäden an“, erklärt Jatsch. Dafür braucht man genug Leute. „Um die Einsätze gut planen zu können, muss man die Ehrenamtlichen auch dazu ermuntern, ihre An- und Abwesenheitszeiten einzutragen“, sagt Stauder. Das habe zunächst Probleme gegeben, weil ja alle freiwillig und unentgeltlich arbeiten, aber allmählich sei man dabei „Strukturen zu finden“, sagt der Bankkaufmann. Er hat sich für den Einsatz als Bufti entschieden, „weil ich für die gute Sache arbeiten wollte“, so Privatier Stauder. Dem ehemaligen Manager macht seine Tätigkeit viel Spaß. „Kein Arbeitstag ist gleich. Man muss flexibel und einfühlsam sein, und das gefällt mir an dem Job“, so Stauder.

Neben den beiden Buftis sind momentan noch 18 Ehrenamtliche und zwei Praktikanten in der Möbelkiste tätig. Praktikant Kwadio Anabisa ist einer der Flüchtlinge, die von Lampedusa nach Hamburg kamen. Der 30-Jährige stammt aus Ghana, arbeitete aber 15 Jahre als Bauarbeiter in Libyen. „Als dort der Krieg ausbrach, bin ich in einem überfüllten Holzboot nach Lampedusa geflohen“, berichtet er in einem Mix aus Englisch und Deutsch. Derzeit lebt er mit einer Duldung in einer Flüchtlingsunterkunft. Während sein Asylantrag läuft, möchte er viel Deutsch lernen. Deswegen freue er sich über die Mitarbeit in der Möbelkiste, sagt er. Das Praktikum ist Bestandteil eines Projektes von Verikom, dem Verbund für interkulturelle Kommunikation und Bildung. Der Verein bietet auch Deutschkurse an, erklärt Klaus Reese. Demnächst solle noch ein zweiter Flüchtling als Praktikant in der Möbelkiste beginnen. „Wir wollen dazu beitragen, dass die Flüchtlinge für eine bessere Integration Kontakt mit der deutschen Sprache und den hier lebenden Menschen bekommen“, so Reese.

Auch für Freiwillige unter 25 Jahren steht die Möbelkiste noch offen. „Sie könnten sich in den unterschiedlichen Bereichen von der Logistik über den Möbeltransport bis zum Verkauf einbringen und viel Erfahrung sammeln“, sagt Reese. Der Spaß an der Arbeit soll aber nicht zu kurz kommen. „Wir arbeiten mit viel Empathie, wir sind ein soziales Kaufhaus mit Herz.“ Für ihr Engagement haben die Ehrenamtlichen der Möbelkiste in dieser Woche den Sozialpreis 2014 der Bezirksversammlung Wandsbek überreicht bekommen.

Das wird am 19.4. von 11 bis 13 Uhr mit einem Frühschoppen und Livemusik gefeiert in der Möbel­kiste Wandsbek, Papenstraße 84a, Gewerbehof. Infos unter klaus.reese@hakiju.de oder Tel. 20 00 08 28 und www.möbelkiste-wandsbek.de