Das Leben in vollen Zügen genießen? Fehlanzeige. Die über 60-Jährigen machen sich mehr Gedanken über Finanzen als Jüngere. Rendite ist für sie nicht so wichtig. Tägliche Verfügbarkeit dafür umso mehr.

Es ist eine ganz besondere Generation: Während ihres Berufslebens erfuhren die heute 60-Jährigen die längste Friedenszeit und den größten Wohlstandszuwachs in der deutschen Geschichte. Dennoch ist die Generation der vor 1955 Geborenen bescheiden geblieben und setzt voll auf Sicherheit. Das gilt zumindest, was ihre Geldgeschäfte angeht.

Trotz der anhaltenden Niedrigzinsen bevorzugen 60 Prozent der Senioren bei der Geldanlage die sichersten Anlageformen, die es gibt: Sparkonto und Sparbuch. Diese traditionellen Anlageformen kennen keine Schwankungen. Zugleich ist so angelegtes Geld bis zur Höhe von 100.000 Euro pro Kunde durch die gesetzliche Einlagensicherung geschützt.

Bei ihrer Vorliebe für Sicherheit lassen sich Senioren auch nicht dadurch verunsichern, dass die Inflationsrate seit geraumer Zeit höher ist als der durchschnittliche Zins, den sie von der Bank bekommen. Das bedeutet realen Kaufkraftverlust. Neun von zehn Senioren können sich dennoch nicht vorstellen, bei der Geldanlage ein höheres Risiko einzugehen.

Online-Banking auf dem Vormarsch

Das geht aus einer repräsentativen Umfrage zur „Finanzkultur der älteren Generation“ hervor, die das Marktforschungsinstitut GfK im Auftrag des deutschen Bankenverbandes erstellt hat. Für die Umfrage wurden Personen ab 60 Jahren zu ihrem Anlageverhalten befragt.

Die Umfrage brachte auch Ergebnisse, die so nicht erwartet worden waren: Online-Banking wird auch bei den über 60-Jährigen immer beliebter. Viele Senioren zeigen sich aufgeschlossen, Bankgeschäfte von zu Hause mit dem Computer abzuwickeln. Immerhin ein Drittel der Befragten nutzt bereits den PC, um Finanzdinge zu erledigen.

Allerdings ist der Anteil in der Gesamtbevölkerung ein gutes Stück höher: Mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Deutschen praktiziert dem Bankenverband zufolge bereits Online-Banking.

Auffällig ist, dass Senioren die Beschäftigung mit Geld generell mehr Spaß bereitet als jüngeren Bankkunden, wo nicht selten der Frust überwiegt. Auch kümmern sich Senioren häufiger um ihre Finanzen als die unter 60-jährigen Erwachsenen. Nach der Umfrage beschäftigen sich immerhin 82 Prozent der Senioren mindestens einmal im Monat mit Gelddingen. Bei den unter 60-Jährigen liegt der Wert deutlich niedriger: bei 71 Prozent.

„Bankgeschäfte sind kompliziert“

Das intensive Interesse an Finanzen überrascht umso mehr, weil die meisten über 60-Jährigen Bankgeschäfte heute als sehr kompliziert empfinden – eine Einschätzung, die sie allerdings mit den jüngeren Bankkunden verbindet.

„Es ist uns Auftrag und Verpflichtung zugleich, trotz der zunehmenden Komplexität, Bankprodukte so einfach und verständlich wie möglich zu erklären, damit die Kunden ihre Finanzentscheidungen auf einer gut informierten Basis treffen können“, folgerte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband deutscher Banken bei der Vorstellung der Studie in Berlin.

Viele Ökonomen und Politiker, die die Deutschen zum Konsumieren bewegen wollen, werden über ein weiteres Ergebnis der Studie den Kopf schütteln: Demnach betreiben die meisten Senioren, die es sich leisten können, auch im Alter gezielt Kapital- und Vermögensaufbau: Immerhin 37 Prozent der Älteren sparen Beträge von mehr als 300 Euro im Monat.

Keine Spur von Vermögensverzehr

Von dem vielfach beschworenen „Vermögensverzehr“ kann also zumindest bei der materiell gut ausgestatteten Mehrheit der Rentner keine Rede sein. Nichts deutet hier auf den oft befürchteten „Asset Meltdown“ hin, demzufolge die Alterung zu einem groß angelegten Abverkauf von Vermögenswerten führt, was einen Einbruch der Börsenkurse nach sich ziehen könnte.

Eine Erklärung liefert die Psychologie: Nach eigener Aussage legen drei Viertel der Älteren viel oder sehr viel Wert auf Sparsamkeit. Bei ihnen herrscht praktisch eine Kultur des Sparens, die es bei Jüngeren so nicht gibt.

Die Motive fürs Sparen sind bei Senioren freilich oft andere als bei Erwerbstätigen. So steht bei den über 60-Jährigen das „Sparen für Notfälle“ mit 60 Prozent deutlich stärker im Fokus bei den Jüngeren (53 Prozent). Häufig gaben die Älteren in der Umfrage zudem an, „für ihre Kinder und Enkel“ zu sparen.

Auf Rendite legen die Senioren dabei viel weniger Wert als die Jüngeren: Nur jeder Zehnte ist nach eigener Auskunft der Meinung, dass ein attraktiver Ertrag ein ausschlaggebendes Kriterium bei der Geldanlage ist. Bei den jüngeren sind es 15 Prozent. Dagegen steht die Verfügbarkeit des Kapitals bei den Senioren höher im Fokus als bei den Nicht-Senioren.

Aktien werden gemieden

Das erklärt auch, warum potenziell renditestärkere Investments wie Aktien weithin gemieden werden: Stolze 81 Prozent der Senioren gaben an, sie könnten sich gegenwärtig „weniger“ oder „gar nicht“ vorstellen, Börsenpapiere zu kaufen.

Dabei brauchen sich Rentner mit ihrem Anlageerfolg als Aktionäre überhaupt nicht zu verstecken. Eine separate Studie, die die Direktbank ING DiBa auf Basis ihrer Kundenportfolien erstellt hat, erbrachte vielmehr, dass Senioren an der Börse eine überdurchschnittliche Rendite erzielen: Während die Gruppe der 18- bis 25-Jährigen durchschnittlich 2,3 Prozent „aus dem Markt“ herausholte, waren es in der Gruppe der 66- bis 75-Jährigen 3,2 Prozent.

Am erfolgreichsten waren Anleger laut ING DiBa im Alter von 76 Jahren. Die Senioren erreichten bei der Geldanlage eine Durchschnittsrendite von fast fünf Prozent. „Das zeigt, dass die oft genannte Faustformel, Aktienquote gleich 100 minus Lebensalter, nicht für alle Anleger zutreffend ist“, sagt ING-DiBa-Sprecher Patrick Herwarth von Bittenfeld.

Filiale ist Älteren wichtig

Der Bankenverband hat in der Studie auch die Nutzung verschiedener Vertriebswege durch die Senioren untersucht. Den Befragungen zufolge ist für 80 Prozent der Älteren die Erreichbarkeit der Filiale ein wichtiges Kriterium.

Hier habe Deutschland weiter eine gute Infrastruktur, betonte Kemmer: „Zwei Drittel der Bankkunden erreichen in weniger als zehn Minuten ihre Bankfiliale – und drei Viertel in weniger als zehn Minuten den nächsten gebührenfreien Geldautomaten“, stellte der Hauptgeschäftsführer fest.

Kemmer trat damit der Kritik entgegen, die deutschen Kreditinstitute vernachlässigten die Bedürfnisse der Kundschaft. Zuletzt hatten Banken verstärkt Geschäftsstellen geschlossen. „Es ist also verständlich, dass die Banken ihre Filialstruktur der veränderten Nachfrage anpassen.

Insbesondere auch deshalb, weil Beratung heute längst nicht mehr nur in der Filiale, sondern vielfach am Telefon, online per Video-Konferenz oder gelegentlich auch mit dem Bankberater in den eigenen vier Wänden stattfindet“, betonte der Verbandschef.

Der Studie zufolge suchen 48 Prozent der Senioren den Bankschalter weniger als einmal im Quartal auf.