Mieter, die in ihrem Haus auch Gewerberäume nutzen, dürfen nicht einfach gekündigt werden, urteilt der Bundesgerichtshof. Ihr Wohnrecht ist bei sogenannten Mischverträgen höher einzustufen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Rechte von Mietern gestärkt, die in ihren Räumen wohnen und arbeiten – aber nur einen Mietvertrag für beide Zwecke haben. Sie genießen demnach den für Privatmieter geltenden besseren Kündigungsschutz, wenn die Art der Hauptnutzung unklar ist.

Die Richter gaben mit ihrem für Freiberufler wichtigen Urteil den Betreibern einer Hypnosepraxis in Berlin recht, die im Erdgeschoss ihres gemieteten Hauses eine Praxis hatten und im oberen Stockwerk wohnten.

Das Urteil betrifft sogenannte Mischmietverträge, bei denen es wie in dem jetzt verhandelten Fall nur einen Vertrag für die Miete von Gewerbe- und Wohnräumen gibt. Wer in seiner Wohnung einen Büro- oder Praxisraum für seine selbstständige Tätigkeit hat, ist nach Angaben des Deutschen Mieterbundes nicht betroffen. Hier sei zweifellos von privatem Mietrecht auszugehen, sagte Mieterbund-Sprecher Ulrich Ropertz.

Der Mietvertrag in dem in Karlsruhe verhandelten Fall regelte nicht klar, ob es sich dabei um die Miete von Gewerbe- oder von Wohnräumen handelte. Mieter und Vermieter waren sich aber wohl darüber einig, dass die Mieter das Erdgeschoss für ihre Praxis nutzen und im oberen Stock wohnen wollten. Als der Vermieter kündigte, kam es zum Streit.

Das Berliner Kammergericht gab im Gegensatz zum Landgericht noch dem Vermieter recht. Denn es ging von einem Vertrag über Gewerberäume aus. Die Beklagten hätten mit der Praxis ihren Lebensunterhalt verdient. Damit sei das Geschäft wichtiger und damit maßgeblich. In ihrer mündlichen Verhandlung meldeten die BGH-Richter Zweifel jedoch an dieser Sichtweise an.

In dem schriftlichen Mietvertrag vom 20. November 2006 wurde den Mietern gestattet, die Räume im Erdgeschoss als Hypnosepraxis zu nutzen. Mit Schreiben vom 20. Februar 2012 kündigten die Kläger das Mietverhältnis ohne Angaben von Kündigungsgründen zum 30. September 2012.

Berliner Kammergericht stimmte noch der Räumung zu

Nachdem die Beklagten der Kündigung widersprochen hatten, erhoben die Kläger Räumungsklage beim Landgericht Berlin. Das Landgericht hatte das Mietverhältnis als Wohnraummiete eingeordnet und die Klage mangels sachlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen.

Auf die Berufung der Kläger hatte jedoch das Kammergericht als nächst höher Berliner Instanz die Beklagten zur Räumung verurteilt, weil es von einem Gewerberaummietverhältnis ausging. Ein Mischmietverhältnis, wie es hier gegeben sei, unterliege insgesamt entweder dem Wohnraum- oder dem Gewerberaummietrecht, je nachdem, welcher Vertragszweck bei Vertragsschluss überwiege.

Ausschlaggebend sei, dass die Beklagten in einem Teil der Mieträume mit dem Betrieb der Hypnosepraxis ihren Lebensunterhalt bestritten. Dies mache die freiberufliche Nutzung zum vorherrschenden Vertragszweck.

Dem stehe auch nicht die Verteilung der Flächen auf die verschiedenen Nutzungszwecke für Wohnen und Gewerbe entgegen. Denn die für die gewerbliche Nutzung und die für die Wohnnutzung vorgesehenen Flächen seien in diesem Fall gleich groß. Da die gewerbliche Nutzung den Schwerpunkt des Mietverhältnisses bilde, sei – anders als bei der Wohnraummiete – für eine Kündigung des Mietverhältnisses kein berechtigtes Interesse erforderlich.

Der Bundesgerichtshof beanstandet, dass das Berufungsgericht den vorherrschenden Vertragszweck allein in der Nutzung zu freiberuflichen Zwecken gesehen hat, weil die Mieter in den angemieteten Räumen eine Hypnosepraxis betreiben und damit ihren Lebensunterhalt verdienen.

Wohnrecht hat den Vorrang

Das Bestreiten des Lebensunterhalts durch eine freiberufliche oder gewerbliche Nutzung stelle kein sachgerechtes Kriterium für die Bestimmung des überwiegenden Nutzungszwecks dar, urteilten die obersten Richter.

Das Wohnen hat auf Sicht der Karlsruher Richter Vorrang vor der Erwerbstätigkeit. Wohnen genieße einen hohen Stellenwert und sei daher nicht automatisch weniger wert als Arbeiten. Lasse sich ein Überwiegen der gewerblichen Nutzung nicht feststellen, seien vorrangig die für die Wohnraummiete geltenden Vorschriften anzuwenden, urteilten sie.

Wegen des auf die Wohnraummiete zugeschnittenen Mietvertrags, der für Gewerbeverhältnisse untypischen unbestimmten Vertragslaufzeit sowie wegen der Vereinbarung einer einheitlichen Miete ohne Umsatzsteuerausweis sei in diesem Fall von einem Wohnraummietverhältnis auszugehen. Hier sind Räumungen nur unter ganz klaren Begründungen wie etwa ein Eigenbedarf für die Familie und Verwandte möglich. (Az.: BGH VIII ZR 376/13)