Das Hamburger Top-Model Toni Garrn ist neue Botschafterin des Kinderhilfswerks Plan International. Ein Gespräch über das Glück, in Deutschland aufgewachsen zu sein, hohle Kleiderstangen und Nuscheln.

Sie gehört zur Elite ihrer Branche, lebt inzwischen in New York und ist laut Medienberichten mit dem Schauspieler Leonardo DiCaprio liiert. Doch auf Heimatbesuch ist Antonia Garrn, 22, äußerlich von einer „Hamburger Deern“ kaum zu unterscheiden. Im direkten Kontakt zeigt sie sich ebenfalls geerdet und vom Engagement für arme Mädchen in Afrika beseelt.

Hamburger Abendblatt: Toni Garrn, warum sind Sie als Botschafterin für Plan International in das westafrikanische Land Burkina Faso gereist?

Toni Garrn: Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, einen Schulabschluss zu haben. In Burkina Faso haben die Eltern oft kein Geld, um ihren Kindern eine Schulausbildung zu ermöglichen. Nur 50 Prozent der Mädchen dort besuchen eine Grundschule. Außerdem werden sie oft zwangsverheiratet, früh schwanger und müssen in sehr jungen Jahren sehr hart arbeiten. Ich habe das ja vor Ort gesehen. Das hat mich tief beeindruckt und ist mir sehr nahe gegangen.

Sie haben auch schon sehr früh, mit 14 Jahren, angefangen als Model zu arbeiten. Blieb da Ihre Bildung nicht auch zwangsläufig auf der Strecke?

Garrn: Ich habe in diesem Job bereits als Jugendliche begonnen zu arbeiten, das stimmt. Aber immer parallel zu meiner Schulzeit. In der Woche war Schule angesagt, und an den Wochenenden flog ich für Shootings nach Paris, Mailand oder New York. Das habe ich vier Jahre so durchgezogen, und am Ende hatte ich mein Abitur in der Tasche. Das war mir sehr wichtig. Zum Glück bin ich in einem Land aufgewachsen, wo das für mich möglich war.

Nun sind sie wieder zurück aus Burkina Faso in sagen wir mal, Ihrer Welt. Was hat Sie in Afrika besonders beeindruckt?

Garrn: Ich kann heute viel besser wertschätzen, was ich für ein Glück hatte. All das, was mir in meinem Leben an positiven Dingen passiert ist. Es ist doch reine Glückssache, wo man geboren wird und aufwächst. Sehr beeindruckt hat mich zu sehen, dass die Menschen in Burkina Faso ihr privates Glück, das von so vielen äußeren Faktoren bedroht ist, intensiver genießen, als wir das tun.

Einen größeren Kontrast zwischen Ihrem Leben in der doch eher oberflächigen Glamourwelt der Mode und der Armut in Burkina Faso, dem fünftärmsten Land, ist kaum denkbar. Wie sind Sie damit zurechtgekommen?

Garrn: Klar ging mir dieser riesige Unterschied zu meinem Job auch durch den Kopf, als ich die Mädchen sah, die in ihren Lehmhütten schlafen müssen. Aber als ich dort war, und mich mit ihnen unterhalten habe, war mein Alltag unwichtig. Die Mädchen haben auch gar nicht richtig gewusst, was ich so beruflich mache. Meinen Sie, da lag irgendeine Modezeitschrift herum? Oder dass ich mit einer „Vogue“ unter dem Arm und in Designer-Klamotten dort gewesen bin? Im Gegenteil, ich übernehme gerne Verantwortung für etwas, das mir persönlich am Herzen liegt. Die Begegnung mit den Mädchen dort wird für mich unvergesslich bleiben. Ich habe viel von diesen tapferen Mädchen gelernt, die mir von ihrer Not und erfahrener Gewalt in aller Bescheidenheit erzählt haben. Und ich bin froh, dank meiner Popularität die Welt auf ihre Probleme aufmerksam machen zu können.

Models sagt man gern nach, sie seien, salopp formuliert, „hohl“ im Kopf und nur wandelnde Kleiderständer …?

Garrn: Ich weiß, dass diese Klischees immer wieder gern bedient werden. Es ist so einfach, uns Models so etwas nachzusagen. Andererseits gibt man uns aber auch nicht die Chance, etwas anders zu machen. Ich weiß noch, als ich anfing als Model zu arbeiten, da war ich 14 oder 15 Jahre alt. Als ich am Set nur etwas fragen wollte, zum Beispiel, wie soll ich mich hinstellen? Oder wie wird das Foto nachher aussehen? Da wurde ich gar nicht gehört. Und wollte ich nur mein Schuhband zumachen, hat das ganze Team gleich „Halt!“ geschrien, weil ich oben an den Klamotten hätte irgend etwas kaputt machen können. Man darf tatsächlich nichts machen. Man ist wirklich nur ein Kleiderständer. Das Bild des Models funktioniert nicht, wenn man irgendetwas mehr macht. Wenn ich mich mehr einbringen wollte oder eine Idee hatte, hieß es, nein, mach bitte nichts. Bleib einfach stehen. Beweg’ dich nicht. Das wird einem einfach so gesagt. So ist es am besten in diesem Job. So funktioniert er am besten.

Und, das ist heute noch so?

Garrn: Heute nerve ich oft das Team, weil ich immer und überall mitreden und mitbestimmen möchte.

Die Plan-Kampagne heißt „Because I am a Girl“. Wären Sie eigentlich lieber ein Junge geworden?

Garrn: Auf gar keinen Fall! Ich habe neun Cousins, alles Jungs. Ich fand es toll, auf irgendwelchen Familienfeiern das einzige Mädchen zu sein. Und das genieße ich bis heute. Beispielsweise, wenn ich in New York Besuch von den Jungs bekomme. Die sagen manchmal, los, wir besuchen Antonia. Nein, ich liebe es, eine Frau zu sein.

Sie sind inzwischen in Ihrer Branche ganz oben angekommen. Unser Fotograf hat Sie für das Foto auf die Dachterrasse des Hotel „George“ gebeten. Haben Sie, auch sprichwörtlich, gar keine Höhenangst?

Garrn: Das ist doch nur der sechste Stock. In New York wohne ich im 40.!

Sie sind berühmt, kennen die Reichen und Schönen. Ist es schwierig, nicht abzuheben?

Garrn: Ich glaube nicht. Ich bin in einer sehr strengen Familie aufgewachsen. Meine Mutter behandelt mich heute noch manchmal so, als wäre ich eine Elfjährige, die noch in der Pubertät ist.

Wann zum Beispiel?

Garrn: Wenn ich mal drei Minuten zu spät komme. Oder wenn wir verabredet sind, obwohl sie weiß, dass ich gerade von drei Langstrecken-Flügen komme. Nein, da ist nichts mit abheben. Außerdem habe ich auch einen tollen Freundeskreis, der sehr bodenständig ist und mir hilft, dass ich nie die Bodenhaftung verliere. Mit meinen engsten Bekannten rede ich so gut wie gar nicht über die Model- und Modeszene. Ich würde, ehrlich gesagt, auch dann nicht mehr ich selbst sein. Ich hoffe sehr, ich bin noch genau wie früher die Antonia aus Hamburg.

Sie sind während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 zufällig auf der Straße, auf dem Jungfernstieg, entdeckt worden. Wie lange muss man auf Hamburgs Flaniermeile hin und her laufen, um als Model entdeckt zu werden?

Garrn: Heutzutage ist das alles ganz anders. Damals in den Neunzigern gab es nur wenige Models und einige Scouts, die auf der Suche waren. Inzwischen gibt es unzählige dieser Leute, die, als Beispiel, in jedem kleinen Dorf in Russland gucken, ob jemand dünn und groß ist. Andersherum kann jeder, der halbwegs hübsch ist, zu einer Agentur gehen. Es gibt allein in Deutschland zwanzig Agenturen in jeder Stadt. Jeder, der halbwegs gut aussieht, wird also entdeckt. Darum ist der Wettbewerb viel größer geworden. Wer nicht gleich zu Beginn einen großen Erfolg hat, dem würde ich nicht dazu raten, ihn erzwingen zu wollen. Wenn es nicht klappt, sollte man sich keine weiteren Beine ausreißen.

Wie sieht ein Tag aus, wenn Sie mal nicht unterwegs sind oder arbeiten müssen? Beispielsweise ein Sonntag?

Garrn: Ich arbeite sonntags manchmal häufiger als unter der Woche. Aber wenn ich mal Zeit habe, besuche ich gerne meine Familie und meine Freunde in Hamburg. Oder ich bin in meiner Wohnung in Uhlenhorst. Mein Hauptwohnsitz ist natürlich New York. Aber in Hamburg sind meine Wurzeln. Hamburg wird immer mein Nest bleiben. Ansonsten bedeutet ein Sonntag für mich: ausschlafen!

Gutes Stichwort. Was liegt auf Ihrem Nachttisch?

Garrn: Momentan zwei Bücher. Die Biografie von dem Rolling-Stones-Bassisten Keith Richard und „Blink!“. Letzteres war ein Bestseller in den USA. Aber bin noch nicht dazu gekommen, sie zu lesen. Das ist mein Ziel in diesem Sommer.

Und wer liegt neben Ihnen?

Garrn: Kissen!

Kissen?

Garrn: Ja, ganz, ganz, viele Kissen. In allen möglichen Formen und Farben. Ich liebe Kissen.

Mit welchem Gedanken schlafen Sie abends zuletzt ein?

Garrn: Was frühstücke ich morgen früh?

Und mit welchem Gedanken wachen Sie morgens als Erstes auf?

Garrn: Gehe ich joggen oder mache ich Yoga?

Was ist Ihre größte Schwäche?

Garrn: Ich spreche sehr schnell und ich nuschle. Das hängt damit zusammen, dass ich in meinem Leben tagtäglich so viel erlebe, dass ich das so schnell wie möglich meinen Mitmenschen erzählen möchte. Und dabei spreche ich, so wie jetzt, schneller als ich denke. Wenn eine Fernsehkamera dabei ist, ist das anders. Dann reiße ich mich mehr zusammen.

Und was schätzen Sie an sich am meisten?

Garrn: Ich kann sehr gut multitasken. Ich kann sehr viel gleichzeitig. Das heißt, wenn ich meinen Flug beinahe verpasse, meine Mutter gerade ausflippt und noch drei Leute an meinen Haaren zugange sind während ein Fahrer wartet, bleibe ich cool und freundlich. Multitasking ist sehr wichtig in meinem Leben.

Ich bin im Vorwege unseres Gesprächs gebeten worden, Ihnen keine Fragen zu Ihrer Beziehung zu Leonardo DiCaprio zu stellen. Das respektiere ich natürlich. Ich verstehe es nur nicht, denn es ist doch bekannt, dass sie ein Paar sind?

Garrn: Es ist mir wichtig, über mein Engagement für Plan International und die Mädchen in Burkina Faso zu reden. Dieses Thema steht jetzt im Vordergrund, das liegt mir sehr am Herzen.

Am vergangenen Montag haben Sie in Los Angeles Ihren 22. Geburtstag gefeiert. Wahrscheinlich im Kreise von Menschen, die Ihnen am Herzen liegen. Was bedeutet Ihnen Liebe?

Garrn: Fürsorge. Respekt. Vertrauen und ehrliches Interesse.