Die Staatsanwaltschaft Hannover klagt den SPD-Politiker Sebastian Edathy an. Die Ermittlungen wegen des Besitzes von kinderpornografischen Fotos und Videos sind aus ihrer Sicht offenbar stichhaltig.

Die Anklageschrift gegen den früheren SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy soll nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa an diesem Donnerstagvormittag an das zuständige Gericht gehen. Die Behörde wollte zunächst keine Stellungnahme abgeben.

Gegen Edathy, der sich nach den jüngsten vorliegenden Informationen an einem unbekannten Ort im Ausland aufhalten soll, ist wegen des Verdachts auf Erwerb und Besitz von Kinderpornografie ermittelt worden. Der 44-Jährige hat die Vorwürfe bislang stets zurückgewiesen.

Dem ehemaligen Vorsitzenden des NSU-Untersuchungsausschusses wird vorgeworfen, im Internet entsprechende Fotos und Videos heruntergeladen zu haben. Beweismaterial war nach Angaben der Ermittler im Februar bei Durchsuchungen von Wohnung und Büros Edathys sichergestellt worden.

„Missachtung der Rechte eines Abgeordneten“

Edathy war ins Visier der Behörden geraten, weil sein Name auf der Kundenliste einer kanadischen Firma stand, die unter anderem kinderpornografisches Material verbreitete. Der ehemalige Abgeordnete soll dort Nacktbilder von Jugendlichen bestellt haben – dies jedoch ist nicht strafbar.

Die Staatsanwaltschaft stützt sich in ihrer Anklage laut Nachrichtenagentur auch nicht auf das über die kanadische Firma bezogene Material, sondern auf Links zu kinderpornografischen Internetseiten. Diese waren in einer Sicherungskopie der Daten seines Laptops aus dem Bundestag gefunden worden. Den Computer hatte Edathy im Februar nachträglich als gestohlen gemeldet.

Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil sagte dazu, er nehme die Entscheidung der Ermittlungsbehörde zur Kenntnis. „Jetzt wird ein ordentliches Gericht überprüfen, ob es den Prozess eröffnet. Das ganze Verfahren ist kein Grund zur Freude. Es zeigt sich jetzt aber auch, dass Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft, sie würde das Verfahren verzögern, ungerechtfertigt waren“, sagte Weil, der auch SPD-Landesvorsitzender ist.

Vorwurf bezieht sich auf Laptop-Daten

Sebastian Edathy hatte erst im Mai die Entbindung der Staatsanwaltschaft Hannover von dem Ermittlungsverfahren gegen ihn gefordert. Sein Rechtsanwalt hatte an die niedersächsische Justizministerin geschrieben und die „Missachtung der Rechte eines Bundestagsabgeordneten“ durch das Ermittlungsverfahren gerügt.

Edathy habe erst Anfang Mai vom Bundestag erfahren, dass er bis zum Ablauf des 10. Februar 2014 Abgeordneter gewesen sei, schrieb der Anwalt. An jenem Tag habe die Staatsanwaltschaft Hannover jedoch schon ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, am Nachmittag seien Edathys Wohnungen und Büros durchsucht worden.

Im Bundestag hat vor ein paar Tagen ein Untersuchungsausschuss zu dem Thema seine Arbeit aufgenommen. Während sich Union und SPD bei der Einsetzung der Stimme enthielten, befürworteten Grüne und Linke das Gremium.

Untersuchungsausschuss soll aufklären

Der Ausschuss soll unter anderem die Rolle des Bundeskriminalamts (BKA) und anderer Behörden in dem Fall untersuchen und der Frage nachgehen, ob Edathy möglicherweise vorab vor den Ermittlungen gewarnt wurde. Unter anderem der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte bereits im Oktober von den Vorwürfen gegen den SPD-Politiker erfahren.

Nach Einschätzung der Ausschussvorsitzenden Eva Högl (SPD) wird sich die Arbeit über ein Jahr hinziehen. „Ein Untersuchungsausschuss ist ein Tanker und kein Schnellboot“, sagte sie. Mit sechs bis acht Sitzungen – wie von der Opposition angepeilt – werde es wohl nicht getan sein.

Högl sagte, aus ihrer Sicht hätte es den Ausschuss nicht gebraucht. Es sei aber das gute Recht der Opposition, die Einsetzung zu beantragen. Man werde nun alles noch mal durchgehen, und die SPD werde dabei konstruktiv mitarbeiten. Auch Unions-Politiker sagten, für sie sei nicht erkennbar, was der Ausschuss an neuen Erkenntnissen zutage fördern sollte.

Union richtet scharfe Worte an Opposition

Die Union richtete im Voraus mahnende Worte an die Opposition. Es dürfe nicht sein, dass Linke und Grüne im Ausschuss ihre „öffentlichen Allergien“ gegen Sicherheitsbehörden auslebten, sagte der Unions-Obmann Armin Schuster (CDU). Seine Fraktion werde nicht zulassen, dass das BKA zu Unrecht an den Pranger gestellt werde.

CDU und CSU wollen im Ausschuss auch die Rolle der niedersächsischen Behörden in den Blick nehmen und den Leiter der zuständigen Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich, befragen. Schuster beklagte, es habe lange gedauert, bis die Ermittler in Niedersachsen Maßnahmen gegen Edathy eingeleitet hätten.

Fall stürzte die Koalition in Schwierigkeiten

Die Grünen sehen den Bundestagsausschuss dagegen nicht als geeigneten Ort, um das Ermittlungsverfahren in Niedersachsen detailliert zu betrachten. Dies müsste auf Landesebene geschehen, sagte die Grünen-Obfrau Irene Mihalic. Auch für eine Befragung ihrer Parteifreundin, der niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne), sehe sie keine Veranlassung.

Der Fall Edathy hatte die schwarz-rote Koalition in große Schwierigkeiten gestürzt. Friedrich war wegen der Affäre im Februar von seinem neuen Amt als Agrarminister zurückgetreten. Er hatte im Herbst dem Koalitionspartner über den Vorwurf gegen Edathy berichtet. Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann geriet in Bedrängnis, weil er sich im vergangenen Oktober beim BKA nach den Vorwürfen erkundigt hatte.

Friedrich verteidigte sein Vorgehen erneut. Der Zeitschrift „Bunte“ sagte der CSU-Politiker, er sei davon überzeugt, dass er ethisch, moralisch und juristisch richtig gehandelt habe – politisch sowieso.