Weil der Jugendverband der NRW-Linken zu einer Demonstration gegen Israel aufrief, wird er massiv kritisiert. Nun werfen selbst die eigenen Genossen den Organisatoren vor, Antisemitismus zu befördern.

Das Weltbild der Linksjugend in Nordrhein-Westfalen ist ein schlichtes. Der Nahost-Konflikt sieht nach dieser Lesart so aus: Das böse imperialistische Israel attackiert die unschuldige Zivilbevölkerung in Gaza. So stellt es der Verband in seinem Aufruf „Stoppt die Bombardierung Gazas“ für eine Demonstration am Freitag in Essen dar. In diesem ist ausführlich von der Zivilbevölkerung in Gaza die Rede, die unter Bombardierungen, Hausdurchsuchungen und Verhaftungen durch das israelische Militär leidet. Dass die radikal-islamische Hamas seit Tagen Raketen auf Israel abfeuert und das israelische Angebot einer Waffenpause ausschlug, wird hingegen nicht erwähnt. Mehr noch: Der Begriff „Hamas“ taucht in dem Aufruf gar nicht erst auf.

Offiziell unterstützt wird der Aufruf unter anderem von palästinensischen Organisationen sowie den beiden Linke-Bundestagsabgeordneten Niema Movassat und Inge Höger. Letztere war 2010 auch an Bord der „Marvi Marmara“, mit der Aktivisten versuchten, die Gaza-Blockade zu durchbrechen.

Es wundert wenig, dass ein solch einseitiger Aufruf einschlägige Rassisten auf den Plan ruft. So wurde vor einigen Tagen die Facebook-Seite der NRW-Linksjugend mit antisemitischen Bildern und Sprüchen überflutet. Ein Bild zeigte Adolf Hitler und dazu den Spruch: „Ich könnte alle Juden töten, aber ich habe einige am Leben gelassen, um euch zu zeigen, wieso ich sie getötet habe.“ Die Betreiber der Website löschten die Bilder zwar und distanzierten sich von den rassistischen Kommentaren, an ihrem Aufruf änderten sie aber nichts.

„Ich will mit euch nichts zu tun haben“

Kritik daran gibt es nicht nur von den etablierten Parteien und Verbänden, sondern jetzt auch aus den eigenen Reihen. Der Berliner Jugendverband der Linkspartei greift die Junggenossen an der Ruhr massiv an: „Leider mussten wir feststellen, dass der Aufruf zu dieser Demonstration an Einseitigkeit schwer zu überbieten ist, und halten es dementsprechend für wenig überraschend, dass die Facebook-Seite der Veranstaltung zwischenzeitig mit NS-verherrlichenden und antisemitischen Kommentaren zugespammt wurde“, heißt es in einer am Donnerstagabend veröffentlichten Erklärung.

Und weiter: „Die Analyse und der Duktus des Aufrufs mussten bei Antisemitinnen verschiedener Richtungen den Eindruck erwecken, dass sie sich unter Gleichgesinnten befinden.“ Auf vergleichbaren Veranstaltungen in Deutschland seien Parolen wie „Hamas, Hamas – Juden ins Gas“ und „Kindermörder Israel“ skandiert, antisemitische Weltverschwörungspropaganda gezeigt, Holocaust-Relativierung betrieben und dem jüdischen Staat das Existenzrecht abgesprochen worden.

Auch die Thüringer Landtagsabgeordnete Katharina Körting kritisiert in einem Appell für die Website „Ruhrbarone“ die Einseitigkeit des Aufrufs, warnt vor der Teilnahme von Neonazis und schließt mit den Worten an die Linksjugend an der Ruhr: „Mir bleibt nur zu sagen: Alles, was ich will, ist, nichts mit euch zu tun zu haben.“

NRW-Verband weist Kritik zurück

Die NRW-Linksjugend nennt die Kritik an ihrem Aufruf eine „Kampagne“ und weist alle Vorwürfe zurück. Sie lehne „jegliche Form von Antisemitismus und Rassismus entschieden“ ab und habe alle rassistischen Kommentare wieder gelöscht, heißt es in einer Erklärung. Auf ihrer Facebook-Seite weist sie darauf hin, dass sie keine rassistischen Plakate oder Parolen dulden wird.

In Berlin hegen die Genossen indes erhebliche Zweifel, dass den Jung-Linken an der Ruhr das gelingen wird. „Wir trauen der lokalen ['solid] – Gruppe auch nicht zu, bei potenziell Tausenden Teilnehmer*innen zu verhindern, dass ihre Veranstaltung zur Verbreitung von Antisemitismus und Israelhass missbraucht wird – ganz unabhängig davon, aus welchem Grund sie die Demo veranstaltet“, schreiben die Landessprecher in ihrer Erklärung. Man bitte die Parteifreunde an der Ruhr daher, „nachdrücklich die Demonstration abzusagen“.

Zeitgleich zur Veranstaltung der Linksjugend haben inzwischen mehrere Gruppierungen, darunter die Bochumer Jusos, zu einer Gegendemonstration aufgerufen. Die Polizei Essen rechnet insgesamt mit rund 7000 Teilnehmern.