Verwaltung prüft dort Vorrang für Radfahrer. Die meisten Fahrradstraßen sind im Bezirk Nord geplant. Das erfolgreiche Leihsystem StadtRad bekommt in Hamburg 40 neue Stationen.

Hamburg. Hamburg will weitere Fahrradstraßen einrichten und das StadtRAD-System ausbauen: Derzeit prüft die Stadt 18 Straßen, unter anderem rund um die Alster, auf denen künftig Radfahrer Vorrang haben sollen und nur noch Anlieger mit dem Auto fahren dürfen. Das geht aus einer Senatsantwort auf eine Große Anfrage der SPD-Bürgerschaftsfraktion hervor.

„Schon jetzt gibt es sechs Fahrradstraßen, viele weitere werden folgen“, kündigte Dirk Kienscherf, parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, am Donnerstag an. „Unter Schwarz-Grün gab es keine einzige.“ Die SPD unterstütze den Radverkehr also deutlich mehr als die Vorgängerregierung.

Die meisten Fahrradstraßen sind im Bezirk Nord geplant (Angerstraße, Bellevue, Fährhausstraße/Schöne Aussicht, Hartwicusstraße, Immenhof, Leinpfad, Uferstraße). Im Bezirk Mitte sollen Radfahrer möglicherweise bald auf dem Horner Weg, der Weimarer Straße und Thadenstraße Vorfahrt haben. Im Bezirk Altona werden die Chemnitzstraße, Haubachstraße sowie der Rheingoldweg geprüft, und im Bezirk Bergedorf geht es um den Brookdeich und den Kirchwerder Marschbahndamm. Zudem wird überlegt, das Alsterufer/Harvestehuder Weg zur Radstraße umzubauen.

Nach Angaben des Senats beabsichtigt auch das Bezirksamt Harburg, die Einrichtung von Fahrradstraßen an der Francoper Straße und im Kleinfeld zu prüfen.

Darüber hinaus sollen im kommenden Jahr 40 weitere StadtRad-Stationen errichtet werden, erstmals auch in Harburg. „Mit der Einrichtung dieser Stationen vollziehen wir jetzt den Sprung über die Süderelbe“, sagte der SPD-Politiker Kienscherf. Die neuen Standorte mit insgesamt 500 neuen Rädern sollen in den kommenden Monaten mit den Bezirken zusammen festgelegt werden. „Die Erfolgsgeschichte geht damit in eine weitere Runde und ist ein weiteres, sehr positives Signal für den Radverkehr.“ Laut Senatsantwort wurde bereits ein Vertrag mit der Deutschen Bahn zum Ausbau des StadRad-Systems geschlossen. „Die zuständige Behörde hat die DB Rent GmbH im Juli 2014 mit einer dritten Ausbaustufe des StadtRad-Systems beauftragt“, heißt es in der Drucksache. Bei den neuen Ausleihstationen sollen „insbesondere die Stadtteile Harburg, Bahrenfeld und Barmbek-Nord“ einbezogen werden. Die Produktionszeit der StadtRad-Terminals betrage laut Senat rund sieben Monate, sodass die ersten Stationen bereits im ersten Quartal 2015 in Betrieb genommen werden könnten. „Für den Ausbau werden ab dem Haushalt 2015 rund 400.000 Euro bereitgestellt“, sagte Dirk Kienscherf.

Aus Sicht der SPD-Fraktion belegt die Senatsantwort auf ihre Große Anfrage eine verbesserte Förderung des Radverkehrs in Hamburg seit 2011. Nach eigenen Angaben seien in den vergangenen drei Jahren rund 30Millionen Euro in den Radverkehr geflossen. „Wir haben den Ausbau des Veloroutennetzes vorangetrieben“, betonte Kienscherf. „Hat die grüne Verkehrssenatorin Anja Hajduk klägliche 6,3 Kilometer ausgebaut, waren es unter Senator Frank Horch 23,7 Kilometer – das ist eine Steigerung von 276 Prozent.“ Die SPD habe 2011 viele Konzepte von Schwarz-Grün vorgefunden. „Aber auf der Straße angekommen ist nichts“, sagte der SPD-Radverkehrsexperte Lars Pochnicht. Die Ergebnisse des CDU/GAL-Senats von 2008 bis 2010 seien mager. „Keine Fahrradstraße wurde von Frau Hajduk eingeweiht. Gerade einmal 350 Meter neue Radfahrstreifen hat sie auf die Straße gebracht.“

Die SPD hingegen habe 12,36 Kilometer Radfahrstreifen angelegt. „Insgesamt ist die Situation noch nicht perfekt, aber wir sind auf einem guten Weg.“

Das sehen die Grünen anders. Sie werfen der SPD nun vor, Zahlen zu verdrehen und sich mit fremden Federn zu schmücken. „Die SPD versucht seit Wochen, sich beim Radverkehr zu profilieren. Nun fängt sie auch noch an, mit den Zahlen zu tricksen und fremde Taten sich selbst zuzuschreiben“, sagte der Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete Till Steffen. Dreieinhalb Jahre SPD-Regierung mit zweieinhalb Jahren Schwarz-Grün zu vergleichen, sei schlichtweg „unseriös und unglaubwürdig“. „Der absolute Knaller: Die SPD ist sich nicht zu schade, das Jahr 2011 komplett auf ihr eigenes Konto zu verbuchen“, so der Verkehrsexperte Steffen. „Fast alles, was 2011 saniert wurde, wurde bereits unter Schwarz-Grün beauftragt.“

Dass die Bilanz der SPD ernüchternd ausfällt, zeigten auch Zahlen, die der Senat veröffentlicht hat. „Wenn man die Zahlen pro Jahr vergleicht, hat die SPD 2012 und 2013 jeweils nur 10,3 Kilometer Radweg saniert“, so Till Steffen. In den schwarz-grünen Jahren habe der Jahresschnitt noch bei 12,5 Kilometern gelegen. „Wenn man schon mit Erbsenzählerei anfängt, sollte man auch die Grundrechenarten beherrschen“, sagte der Grünen-Politiker.

Sehr deutlich wies er auch darauf hin, dass die SPD „aus eigener Ideenlosigkeit“ fleißig Konzepte der Grünen kopiere. „Vor ein paar Wochen haben sie unsere alte Idee des Alster-Radwegs angekündigt, nun wollen sie auch unsere Forderung von 2011 aufgreifen, in Harburg StadtRad-Stationen aufzustellen“, betonte Steffen. „Das lenkt aber nicht vom eigenen Versagen ab.“

Großes Lob erntete die SPD auch vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) nicht. Zwar begrüßte der ADFC Hamburg, dass der Senat sich jetzt intensiver mit dem Thema beschäftigt. „Es wird wieder mehr über den Radverkehr geredet, aber noch viel zu wenig umgesetzt“, sagte ADFC-Sprecher Dirk Lau. „Auf den großen Wurf wartet Hamburg seit dem Regierungsantritt von Olaf Scholz immer noch.“