Einbrecher hatten Stahlschränke im Mittelkanal versenkt – in einem waren unersetzliche Erinnerungsstücke

Wolf Biermann war sichtlich aufgewühlt, als er zum Mittelkanal an die Wendenstraße kam. Kurz zuvor hatten Taucher der Polizei einen der beiden jeweils 1,4 Meter hohen Tresore aus dem Wasser geborgen, die kurz vor Weihnachten aus seinem Haus in Ottensen gestohlen worden waren. In einem der Geldschränke lagen für Biermann unersetzliche Familienstücke, darunter die Sterbeurkunde seines 1943 im Konzentrationslager Auschwitz ermordeten Vaters.

Es war ein Zufall, dass der Tresor von dem Ehepaar Biermann, genauer gesagt von Biermanns Frau Pamela, bereits am Mittwoch vergangener Woche entdeckt wurde. Schon am Dienstag davor hatte ein Arbeiter, der am Kanal einen Zaun aufstellte, im Morast eine Luther-Bibel aus dem Jahr 1732 gefunden. Der Mann, offenbar durch die Berichterstattung im Dezember sensibilisiert, forschte nach und alarmierte die Polizei und die Biermanns selbst, die nach dem Einbruch eine Internetseite zu dem Fall online gestellt hatten. „Beamte des Polizeikommissariats sicherten einen Karton als Spurenträger, in dem die Bibel gelegen hatte“, sagt Hauptkommissarin Ulrike Sweden. Den Tresor selbst entdeckten die Biermanns an besagtem Mittwoch. „Meine Frau hat einen Schatten im Wasser gesehen“, sagt Wolf Biermann. Die Polizei rückte mit Tauchern an. Mit einem Kran konnte der schwere Tresor geborgen werden.

Für Biermann war der Fund eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Einer der beiden Tresore, die bei ihm gestohlen wurden, war leer. Der andere Tresor aber war gefüllt mit persönlichen, oft schmerzlichen Erinnerungsstücken. Darunter war auch die Sterbeurkunde seines Vaters, die von einem „Standesamt Auschwitz“ ausgestellt worden war. „In dem Tresor, so dachte ich, liegt sie sicher. Und nun ist sie weg.“

Noch tragischer für ihn sei der Verlust der „kleinen, abgegriffenen Ledergeldbörse“ seine Vaters. „Die legte er meiner Mutter auf den Küchentisch, als er von der Gestapo verhaftet wurde, weil er Kommunist war“, sagt Biermann sichtlich bewegt. „Da war sein Skatgeld drin. Drei Groschen und ein paar Pfennige. Das war das Geld, um das er mit seinen Kollegen in der Mittagspause gespielt hat. Wie man sich denken kann, ist die kleine kostbare Geldbörse, die für mich mehr wert ist als 50.000 Euro, weg. Geld bekäme ich schnell wieder. Aber die Geldbörse von meinem Vater, die bekomme ich nie wieder. Da er mit 20 anderen Mitgliedern der Familie ermordet wurde und ich der einzige Überlebende bin, kann man sich denken, dass mir das wehtut.“ Wichtig sind für Biermann auch drei kleine, jeweils 300 Seiten dicke Tagebücher, die in einem der Tresore gelegen hatten. „Seit 1954 schreibe ich diese Bücher“, sagt Biermann.

Die Bibel, aus der er ein Zitat für seine Bibelballade entnommen hat, die er aus Liebeskummer schrieb, weil ihn damals in der DDR eine Frau aus politischen Gründen verlassen hatte, hat er wieder. „Das“, so sagt Biermann, wecke in ihm ein „Neidgefühl“. „Die Bibel, Gottes Wort, ist gerettet. Aber mein Wort, meine Manuskripte, die für die Diebe nichts, aber für mich sehr viel bedeuten, sind weg“, sagt Biermann.

Inzwischen steht fest: In dem gefundenen und mittlerweile geöffnetem Tresor befinden sich zwar Akten und Dokumente, doch weder die Sterbeurkunde von Biermanns Vater noch dessen Geldbörse gehören dazu. Auch der zweite Tresor bleibt weiterhin verschwunden.

Von den Tätern selbst fehlt laut Polizei ebenfalls jede Spur. Biermann ist sich sicher: „Die werden sich die Krätze ärgern, wenn sie den Tresor endlich aufgebrochen haben“, sagt der Liedermacher. Sie würden dann feststellen, dass nichts für sie Verwertbares drin sei. „Für mich ist das anders“, sagt Biermann: „Für mich ist es alles.“

Gottes Wort ist gerettet.Mein Wort ... ist weg.