Private Bauherren müssen nicht mehr das gesamte Gelände absuchen lassen

Bisher weitgehend unbemerkt ist die Änderung der Kampfmittelverordnung geblieben, in der in Hamburg die Suche nach explosiven Hinterlassenschaften des Zweiten Weltkrieges geregelt ist. Auslöser waren nach Informationen des Hamburger Abendblatts die hohen Kosten für Kampfmittelsuche und der hohe Zeitaufwand durch die 2005 eingeführte Fassung. Die Auswirkungen der aktuellen Kampfmittelverordnung sind nach Einschätzung von Rechtsanwalt Tim Janke gravierend. Grundstücksbesitzer und Bauherren, so der Experte für Baurecht beim Beraterhaus SchlarmannvonGeyso, würde deutlich mehr Verantwortung haben, wenn es zu Schäden durch auf ihrem Grundstück liegende Kampfmittel kommt. Gleichzeitig seien viele Passagen in der neuen Verordnung so schwammig gehalten, dass der Fachanwalt „rechtliche Unsicherheiten“ erkennt.

Eine schnellere Erkennung von Gefahren durch Blindgänger und eine Entbürokratisierung soll laut Senat die modifizierte Verordnung bringen. Das würde auch dem Wohnungsbauprogramm und der Entwicklung von riesigen Flächen, beispielsweise im Hafen, entgegenkommen und sich positiv auf die Baukosten und damit auch auf Mietpreise auswirken.

„Vergleicht man die alte und die neue Fassung, ist insbesondere festzustellen, dass Verdachtsfläche jetzt solche Grundstücke sind, auf denen ein ganz konkreter Verdacht auf Kampfmittel besteht“, so Janke. „Gänzlich gestrichen wurde die Sondierungspflicht, nach der ein qualifiziertes Unternehmen ein komplettes als Verdachtsfläche eingestuftes Grundstück absuchen musste.“ Nach der neuen Verordnung muss nur noch der „Baubereich“, die Stelle, auf der tatsächlich Bauarbeiten stattfinden, abgesucht werden.

Zudem muss nicht mehr eine zugelassene Firma beauftragt werden. Es können auch andere „geeignete Maßnahmen“ zum Einsatz kommen. „Angesichts der noch offenen Frage, was der Senat eigentlich unter geeigneten Maßnahmen versteht, bestehen Zweifel, ob und inwieweit die neue Ordnungswidrigkeitsklausel in der modifizierten Kampfmittelverordnung überhaupt dem sogenannten Bestimmungsgebot genügt“, sagt Janke.

Der Begriff ist soweit gefasst, dass Experten davon ausgehen, dass ein Bauherr selbst bestimmen kann, was ihm geeignet erscheint. „Der Senat wird sich die Frage gefallen lassen müssen, ob die neue Regelung im Hinblick auf das Wohnungsbauprogramm nicht in erster Linie wirtschaftlichen Zwecken dient“, so Tim Janke.

Dass eine neue Verordnung erlassen wurde, wundert Experten angesichts des Baubooms jedenfalls nicht. Im Jahr 2005 hatte der CDU-Senat die Kampfmittelverordnung modifiziert. Ziel war es, die Kampfmittelsuche zu privatisieren und so 1,2 Millionen Euro einzusparen. Bis dahin hatte Hamburg es als Aufgabe der Stadt angesehen, die Hinterlassenschaften des Zweiten Weltkrieges zu beseitigen. Dabei handelt es sich nicht nur um Bombenblindgänger, sondern auch vielfach um Hinterlassenschaften der deutschen Truppen. Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Karl-Heinz Warnholz hatte, um die Kostenabwälzung zu begründen, damals sogar „die Wiederaufbauphase Hamburgs nach dem Zweiten Weltkrieg“ für beendet erklärt.

Der Sparversuch ging nach hinten los: War der Kampfmittelräumdienst bis dahin laut eines Insiders mit einem Etat von 3,5 Millionen Euro hingekommen, musste die Stadt bereits im ersten Jahr nach der Privatisierung der Kampfmittelsuche zwölf Millionen Euro dafür aufbringen. Die großen Bauvorhaben in Hamburg werden eben durch die Stadt durchgeführt.

„Dazu kam, dass jetzt von der Stadt in der Regel Ingenieurbüros mit der Kampfmittelbeseitigung beauftragt wurden, deren Honorar sich nach den Kosten richtete. Da hatte bei den Auftragnehmern natürlich niemand ein Interesse daran, dass möglichst kostengünstig sondiert wird“, verrät der Insider.

Deutschlandweit fällt ein nicht unerheblicher Teil der Sondierungskosten in Hamburg an. Dabei wurden in der Hansestadt in den vergangenen drei Jahren durchschnittlich 5,2 Tonnen Kampfmittel gefunden. Zum Vergleich: In Berlin holten Kampfmittelräumer allein in diesem Jahr bis Mitte November 54 Tonnen Kampfmittel aus dem Boden.

„Seit 2005 herrschte hier bei den Firmen, die Kampfmittelsondierung durchführen durften, Goldgräberstimmung“, sagt ein Kenner der Szene. „Man war oft den Preisforderungen der Firmen ausgeliefert. Nichtzustimmung kam mit Baustopp gleich“, sagt ein Projektentwickler. „Jetzt kann man wieder verhandeln.“

Seit 2005 herrschte bei den Firmen, die Kampfmittelsondierung durchführen durften, Goldgräberstimmung.