Gestresst? Keine Lust mehr auf graue Stadt und feuchte Kälte? Eine Woche auf der Malediven-Insel Iru Fushi würde helfen. Nebenbei erfährt man viel über das Leben der Einheimischen

Der Tag auf Iru Fushi beginnt mit einem leisen Rauschen. Es ist der Indische Ozean, der in etwa 50 Metern Entfernung auf den feinen, weißen Sandstrand perlt. Immer wieder, mit weicher Routine. Es ist diese eintönige Melodie, die den Besucher aus dem Kingsize-Bett treibt. Die kühlen, weißen Laken hinter sich gelassen, erstreckt sich hinter den geöffneten Vorhängen eine sonnige, bläuliche Helligkeit. Es ist Tag. Der erste Tag auf der Insel Iru Fushi. Diese Insel lässt sich auf der Karte auf dem 73. Längengrad Ost und zwischen 5. und 6.Grad nördlicher Breite finden, eine Stecknadel mitten im Indischen Ozean. Ein grüner Punkt mit weißem Rand, mitten im Blau.

Man könnte jetzt zuerst in den eigenen Pool springen, doch die Füße müssen ins Meer. Die Ferne erfassen. Der großstädtische Körper muss Kontakt zur Unwirklichkeit herstellen. Eintauchen ins Paradies.

Der Ozean ist nur einen Steinwurf vom Bett entfernt

Die Insel Iru Fushi misst 800 mal 300 Meter und gehört zum Noonu Atoll und das wiederum zu den Malediven. Auf der Insel gibt es nur ein Resort, The Sun Siyam Iru Fushi, eine Fünf-Sterne-Anlage mit 221 Villen, fast alle mit Blick auf den Indischen Ozean, der nicht mehr als einen Steinwurf vom eigenen Bett entfernt liegt. 70 dieser Unterkünfte sind Wasservillen, Bungalows auf Stelzen, viele mit Glasböden und Pool, alle mit eigener Leiter ins türkisfarbene Meer.

Wäre man Robinson, also hier gestrandet, könnte man sein Glück im Unglück kaum fassen, so perfekt schön ist die Natur und so angenehm das Leben im Resort: mit dem Essen in den elf Restaurants und Bars und dem kalten Champagner, der zur Begrüßung auf dem Zimmer steht. Da die Urlauber aber für ihre fünf bis zehn Tage, die die meisten hier verbringen, eine Mindestinvestition von mehreren Tausend Euro getätigt haben, ist die Zeit auf Iru Fushi sehr bewusst gewählter Luxus. Weil die besten Monate für einen Besuch auf den Malediven die hiesigen Herbst- und Wintermonate sind, ist es Anfang Dezember unbezahlbar, den Bikini anzuziehen, statt den Mantelkragen höher zu schlagen.

Von Frankfurt aus fliegt man neuneinhalb Stunden bis Malé, der Hauptstadt der Malediven. Von dort aus geht es weiter mit einem kleinen Wasserflugzeug. Dieser Trip ist schon ein Teil des Maledivenzaubers. Denn Wasserflugzeug bedeutet Abenteuer und Luxus. Indiana Jones auf Reisen, bloß ohne Gefahr. Der Anblick der Inseln der Malediven von oben ist die erste Belohnung für die weite Anreise. Nach der Landung macht der Urlauber Bekanntschaft mit seinem Butler.

Kein Witz, jedem Gast ist ein Butler zugeordnet. Jemand, der sich um einen kümmert, der Termine zum Schnorcheln ausmacht oder einen Platz im Restaurant reserviert. Jemand, der die Wäsche reinigen und bügeln lässt. Mein Butler heißt Hussein Jauzee und ist 26 Jahre alt. Seine Arbeitskleidung ist makellos weiß, Bermudashorts und ein Kurzarmhemd. Er spricht fließend Englisch und hat überhaupt nichts dienermäßiges.

Um das Leben der Einheimischen kennenzulernen und zu erfahren, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen, bietet das Resort einen Bootstrip zur Insel Holhudhoo an, das ist eine Nachbarinsel.

Jauzee ist dort aufgewachsen. Ich mache die Tour gemeinsam mit einigen anderen Gästen, und Jauzee begleitet uns. Dieses Mal ist er unser Fremdenführer. Wir fahren mit einem Motorboot etwa 40 Minuten. Die Teilnehmer sitzen an Deck im Fahrtwind in herrlichstem Sonnenschein. Auf der Fahrt erzählt Jauzee von sich. Wollte er immer Butler werden? „Nein, ich wollte eigentlich Pilot für Wasserflugzeuge werden, aber die Ausbildung war für mich zu teuer“, sagt er.

Für den Pilotenschein hätte er in die USA gehen müssen, und das hätte etwa 100.000 Dollar gekostet. Unglaublich viel Geld für eine Region, in der eine Familie von 250 Dollar im Monat lebt. Und die Familien sind selten klein. Jauzees Familie lebt in einem Haus zusammen. Seine drei Schwestern, seine sechs Nichten und Neffen und seine Mutter. Allein Jauzee sorgt für deren Lebensunterhalt, seine beiden älteren Brüder leben in Malé. Alle paar Wochen kommt Jauzee gemeinsam mit seiner Frau, die auch im Resort arbeitet, nach Holhudhoo.

Er findet, dass Butler der beste Job im Resort ist, weil man mit den Gästen und mit allen Bereichen zu tun hat. Es gibt 20 bis 24 Butler. Ob ihn alle Gäste gut behandeln?

„Ich erzähle eine Geschichte. Wir hatten in einer Strandvilla ein arabisches Paar zu Gast. Sie hatte Angst vor Geckos. Ich sollte mich darum kümmern, dass keine Geckos mehr durch den Garten laufen. Aber Geckos gehören zu den Malediven und zu unserer Insel.“ Jauzee schüttelt seinen Kopf, offensichtlich war die Frau anstrengend. Das Paar ist dann in einen Wasserbungalow umgezogen. Nicht alle Wünsche der Gäste sind eben erfüllbar.