Das Hansa Varieté Theater präsentiert auch in der neuen Spielzeit wieder Artisten der Weltklasse

Wann immer sich die Türen des Hansa Theaters am Steindamm öffnen, ist es unmöglich, sich seinem plüschig-nostalgischen Charme zu verschließen. In dem seit 120 Jahren bespielten Haus lebt die Varieté-Tradition weiter, ohne zu verstauben. Das wurde einmal mehr bei der Gala-Premiere deutlich, die die siebte Spielzeit unter der Leitung von Thomas Collien und Ulrich Waller eröffnete.

Die beiden St.-Pauli-Theater-Macher hatten das weltberühmte Haus im Januar 2009 nach acht Jahren Dornröschenschlaf wiedereröffnet – übrigens auf Initiative von Abendblatt-Marketingchefin Vivian Hecker. Seitdem haben sich schon 400.000 Besucher von der neuen alten Art der Kleinkunst be- und verzaubern lassen. Ob man das Haus nun Schmuckstück oder etwas flapsiger „Hutschachtel“ (Collien) nennt, bis Anfang März darf im Hansa Theater wieder gesungen, getrunken, gegessen, geschluckt und geschleudert, ja sogar geblasen werden.

Dass Rüdiger und Dirk Kowalke vom Fischereihafen Restaurant Hamburg persönlich die Fischteller an die Tischchen servieren, kommt sicher nicht alle Tage vor. Aber die bunte Platte, welche wechselnde Conférenciers wie die Schauspieler Ulrich Tukur, Gustav Peter Wöhler oder Rolf Claussen, Comedians und Kabarettisten wie Jan Christof Scheibe, Herr Holm (Dirk Bielefeldt) oder der als Lehrer Laux mitwirkende Horst Schroth darreichen werden, bietet erstklassiges internationales Varieté.

Die Artistik-Acts präsentierte bei der Premiere Soul-Bruder Stefan Gwildis. Hamburgs charmantestes Reibeisen hatte sichtlich Spaß daran, beim Publikum immer neue „Ahs“ hervorzukitzeln, als es galt, die Heimatstädte der acht internationalen Künstler zu würdigen. Das war bei den beiden japanischen Einradfahrerinnen Yuka & Satomi noch relativ zurückhaltend, steigerte sich aber zusehends.

Der russische Handstandakrobat Oleg Izossimov verblüffte mit einer Mischung aus Kraft, Grazie und Biegsamkeit. Und sein Landsmann Leonid Beljakow zeigte, dass es nicht immer (und nicht mehr) die klassische Pudelnummer sein muss, um eine lustige „Comedy Dog Show“ auf die Bühne zu bringen: Der Dompteur gab den „Vitali“, sein mal mehr, mal weniger gehorsamer Boxerhund den „Klitschko“.

Gemeinsam landeten sie einen Punktsieg, der vor dem Pausengong beifallstechnisch nur noch vom italienischen Duo Guidi aus Pescara („Ah!“) übertroffen wurde: Sacha-Emidio, auf einem schrägen Brett liegend, schleuderte und wirbelte seine kleine Schwester derart durch die Luft, dass der Begriff von der „Wegwerfgesellschaft“ eine neue positive Bedeutung bekam. „So ein Hocker ist schnell gebaut, meine Herren, und dann hoch mit den Damen“, kommentiert Gwildis süffisant.

Kaum hatte die feine rote Grütze die Gaumen der Besucher geschmeidig gemacht, trat mit The Beautiful Jewels eine – laut Selbstauskunft – „der letzten drei überlebenden Schwertschluckerinnen der Welt“ in Aktion. Guten Appetit? Gwildis versagte kurzzeitig die Stimme – obschon ohne Folgen für die Artistin und für den Sänger.

Die Tische waren da schon weitgehend abgeräumt, denn die ungeteilte Aufmerksamkeit gehörte nun dem Weltmeister der Bühnenmagie: Wie der Finne Marko Karvo weiße Tauben sprichwörtlich aus dem Ärmel und aus bunten Tüchern schüttelt und dann noch Riesenpapageien durch den Saal fliegen lässt, bleibt auch bei Licht betrachtet unergründlich. Ein Glücksgriff von Waller und Collien, den geheimnisvollen Magier mit seiner bunten Vogelschar und seiner (Bühnen-)Frau Vanessa ein zweites Mal zu engagieren.

Während US-„Bubbleman“ Tom Toddy großen und kleinen Kindern auf heiter-gemütliche Weise die Kunst des Seifenblasens zeigte, holte das Duo Strahlemann & Söhne nicht bloß die Keulen raus. Die gefeierten Berliner Jongleure vollzogen bei ihrer spektakulären Nummer fingerfertig auch den fast kompletten Kleidungstausch: artistisch, komisch, atemberaubend!

Einzig ein Vokalakrobat erhielt am Premierenabend mehr Beifall mitsamt Standing Ovations: Ehrengast Bill Ramsey, 83, sang erst mit Gwildis wie schon bei dessen Familienkonzert 2013 im Stadtpark „Mitten vorm Dock Nummer 10“. Danach brillierte der einstige Schlagerstar mit Interpretationen von Jazz-Standards wie „Georgia“ oder „Route 66“.

Auch das war alles andere als pure Nostalgie, sondern einfach verdammt gute Unterhaltung. Nur eine Veränderung fiel im Hansa Theater am Premierenabend auf: Wer im Untergeschoss durch die hölzerne Drehtür (!) auf die Herrentoilette ging, erblickte das Schild: „20 Cent, bitte!“ Früher stand dort noch: „10 Pfennig, bitte!“

Hansa Varieté Theater bis 1. März 2015 täglich außer Mo jew. 20 Uhr, Sa 16 u. 20 Uhr, So 15 u. 19 Uhr, Steindamm 17.Karten zu 29,90 bis 69,90 Euro in allen Abendblatt-Ticketshops und unter der Ticket-Hotline T. 040/30 30 98 98; Infos: www.hansa-theater.de

So ein Hocker ist schnell gebaut, meine Herren, und dann hoch mit den Damen!