Der selbsternannte „Schmierfink“ stirbt im Gleisbett. Er hinterlässt gut 120.000 Graffiti im Stadtgebiet

In der Szene der Linken und der Künstler galt er als Anti-Held, weil er unangepasst und widerborstig war. Jetzt endete das Leben von Walter Josef Fischer, besser bekannt als Sprayer Oz. Der 64-Jährige wurde in Hammerbrook von einer S-Bahn angefahren. Fischer starb entlang der S-Bahn-Schienen zwischen dem Hauptbahnhof und dem Berliner Tor. Neben dem leblosen Körper entdeckte die Bundespolizei ein sogenanntes Tag, ein kleines Graffito, auf der Abdeckung der Stromschiene: ein schwarzes O, an das sich ein Z anschloss, versehen mit einem gefetteten Punkt.

Er muss sein hunderttausendfach in der Stadt verbreitetes Markenzeichen noch kurz vor dem Unglück auf das schmutzig graue Blech gesprüht haben. Eine Dose mit schwarzer Farbe und ein Rucksack lagen neben den blanken Schienenkörpern. Die Welt des Walter Fischer alias Oz war geprägt von dem unbeirrbaren Willen, die Stadt mit seinem Lebenszeichen zu füllen. Er starb, wie er lebte.

Es ist ein unerwarteter, vor allem aber ein leichtsinnig herbeigeführter Tod. Warum Oz die herannahende S-Bahn der Linie S1 nicht bemerkte, ist nicht bekannt. Der Zug erfasste den Mann um 22.24 Uhr am Donnerstag der vergangenen Woche. Der Lokführer der in Richtung Flughafen fahrenden Bahn habe den Unfall gar nicht bemerkt, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. Erst der Fahrer eines nachfolgenden Zuges entdeckte die Leiche.

Seit 1977 war der Sprayer in der Hansestadt unterwegs. In dem Bildband „Es lebe der Sprühling“ sind seine Werke gesammelt. Doch wer war Walter Josef Fischer, den einige als Künstler verehrten? Er selbst war dieser Zuordnung nicht abgeneigt, andere – darunter die Staatsanwaltschaft – zogen ihn wegen Sachbeschädigung zur Rechenschaft. Fischer, 1950 in Heidelberg geboren, war Gärtnerlehrling, der seine Ausbildung abbrach, Anfang der 70er-Jahre nach Asien trampte, im „Freistaat Christiania“ in Kopenhagen leben wollte und in Hamburg hängen blieb. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad soll Oz nachts durch die Straßen gezogen sein. Mehr als 120.000 typische Oz-Symbole, darunter auch Smileys, Kringel und natürlich der bekannte Namenszug, sollen in den vergangenen Jahren auf Wände, Ampelmasten oder Stromkästen gesprüht oder mit einem Filzstift gemalt worden sein.

Mit dem Sprayen aufzuhören hieße seine „Seele verkaufen“, sagte er vor Gericht. „Ein Schmierfink“ sei er, sagte er sarkastisch, mit Blick auf die Empörung, die auf seine „Verschönerungen“ folgte. 1986 wurde der notorische Sprayer erstmals wegen Sachbeschädigung verurteilt. Anfang 2012 das letzte Mal. Dazwischen lagen zahlreiche Gerichtsverhandlungen und Urteile. Insgesamt acht Jahre lang saß er im Gefängnis. Was bleibt, sind die abertausenden Zeugnisse seines Schaffens. Ob es gefällt oder auch nicht.