Denkmalverein protestiert gegen 200 Meter hohes Windrad im Hafen. „Nicht hinnehmbar“

Beim Spaziergang am östlichen Alsterufer ist es nicht zu übersehen: In unmittelbarerer Nachbarschaft zum Turm des Michel dreht sich seit ein paar Wochen ein mächtiges rot-weißes Windrad. Dass es von seinem Standort in Steinwerder noch am Schwanenwik zu sehen ist, liegt an dessen enormer Höhe.

200Meter misst es bis zur Flügelspitze, der Rotor hat einen Durchmesser von 117 Metern. Die Windkraftanlage auf dem Köhlbrandhöft ist bereits die dritte, die Hamburg Wasser im Hafen errichtet hat; die anderen, nur unwesentlich niedriger, stehen auf dem Gelände des Klärwerks Dradenau.

Schon länger tauchen von der Alster aus gesehen hinter der Innenstadtsilhouette die Spitzen sich drehender Rotorblätter auf. Mit dem neuen Windrad aber rückt eine solche Anlage zum ersten Mal wahrnehmbar zwischen die stadtbildprägenden Türme der Hauptkirchen. Deshalb mussten für ihre Genehmigung Gutachten zu Fledermäusen, Radarsignalen und einer potenziellen Gefährdung eines benachbarten Containerterminals durch herabstürzende Rotorblätter eingeholt werden – und unter anderem die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) sowie das Denkmalschutzamt befragt werden. Beide gaben grünes Licht.

„Wir haben die Pläne zum Bau der Windkraftanlage Köhlbrandhöft geprüft und gegen die Genehmigung keine Einwände erhoben“, sagt Sprecher Enno Isermann. Bei solchen Vorhaben müsse abgewogen werden, ob es sich um eine grundlegende Beeinträchtigung der Stadtsilhouette oder um eine Weiterentwicklung Hamburgs handele. Mögliche Pläne für weitere Anlagen würden kritisch geprüft werden. „Doch es ist nicht Aufgabe des Denkmalschutzes, den Status quo zu konservieren“, so Isermann.

Oberbaudirektor Jörn Walter sagt: „Der Hafen ist seit Langem Industriekulisse. Was früher Kräne und Containerladebrücken waren, sind heute Windkraftanlagen. Deshalb passt die neue Windkraftanlage auf dem Köhlbrandhöft ins Stadtbild.“

Helmuth Barth, Vorsitzender des Denkmalvereins, hat für die Entscheidung der Behörden kein Verständnis. „Das war aus städtebaulicher Sicht nicht hinnehmbar“, sagt er. Gerade die Bedeutung des Michel, dem Wahrzeichen der Stadt, dürfe in der Cityskyline nicht durch die optische Nachbarschaft zu einem Windrad geschmälert werden. „Wenn weiterhin so hohe Anlagen genehmigt werden, blicken wir bald auf Windräder statt auf Kirchtürme.“ Das ist nicht ausgeschlossen, denn im Hafen sind weitere Windkraftanlagen geplant.

Die nächsten drei sollen nach Angaben des „Windkraft-Journals“ auf dem Gelände eines Stahlwerkes in Waltershof/Dradenau entstehen. „Windkraftanlagen tragen zur Energieautarkie bei“, begründet Ole Braukmann, Sprecher von Hamburg Wasser, den Bau der dritten firmeneigenen Anlage. Bis Ende der 1990er-Jahre sei der Klärwerksverbund mit den Standorten Tollerort und Dradenau einer der Hauptstromfresser der Stadt gewesen. Durch Klärschlammverbrennung, eine Biogasanlage und letztlich die Windkraft habe er seit 2011 eine ausgeglichene Energiebilanz. Nach Starkregen aber, wenn sich die zu behandelnde Abwassermenge mitunter verfünffache, habe man bislang auf eine externe Energiezufuhr zurückgreifen müssen. Durch die neue Windkraftanlage, ein 6,2-Millionen-Euro-Projekt, ist Hamburg Wasser jetzt davon unabhängig.

Laut „Windkraft-Journal“ dürfte es das erste Mal sein, dass in Deutschland eine so große Windkraftanlage auf so engem Raum mitten in einem Industriegebiet genehmigt wurde. In benachbarten Containerterminals lagern Gefahrgüter, außerdem könnten Szenarien wie ein Gondelbrand in 140 Metern Höhe oder Rotorblattabbrüche drohen. So waren hier eine Reihe von zusätzlichen Sicherheitseinrichtungen und sicherheitstechnischen Prüfungen notwendig, die von Gutachtern abgenommen wurden.

„In unserer elementaren weltgeschichtlichen Entwicklung können wir auf Windkraft nicht verzichten“, sagt auch Architekturhistoriker Hermann Hipp. Trotzdem ärgert er sich über die Beeinträchtigung der Innenstadtsilhouette. „Es wäre die Aufgabe der Stadt gewesen, sich im Vorfeld damit auseinanderzusetzen“, sagt er. Das Problem sei, dass der Denkmalschutz in Hamburg lediglich die Aufgabe habe, einzelne, konkrete Denkmäler zu schützen. „In Berlin ist das anders“, so Hipp. Dort schütze man nicht nur einzelne Denkmäler, sondern beurteile darüber hinaus jede städtebaulich wichtige Maßnahme nach Kriterien des Denkmalschutzes. Bei der Novellierung des Denkmalschutzgesetzes 2013 hätten Senat und Bürgerschaft bewusst darauf verzichtet, mit einem ähnlichen Passus nicht nur die Denkmäler, sondern auch das Stadtbild zu schützen.

Spaziergänger an der Alster sehen das anders. „Muss das denn wirklich so nah an der Innenstadt sein?“, fragt eine Frau aus Henstedt-Ulzburg. Und eine Anwohnerin sagt: „Der Michel kommt gar nicht mehr richtig zur Geltung. Windräder passen nicht in das Stadtbild, keinesfalls sollten weitere entstehen.“

Was früher Kräne und Containerladebrücken waren, sind heute Windkraftanlagen.