Mit dem 44-jährigen Franken wagt der HSV-Vorstandsvorsitzende Dietmar Beiersdorfer den totalen Umbruch

Der HSV wagt den ganz großen Schnitt

Der HSV hat den totalen Umbruch gewagt. Ein mutiger Schritt, aber auch ein sinnvoller Schachzug, jetzt ist wirklich alles neu, was im seit Jahren schwächelnden Profi-Bereich zu erneuern war. Nach Chef-Coach Mirko Slomka mussten heute auch seine Assistenten ihre Koffer packen, das sind Nestor El Maestro, Zlatan Bajramovic, Fitness-Coach Nikola Vidovic und Torwarttrainer Ronny Teuber. Bei Bajramovic besteht noch die Möglichkeit, dass er wieder in den Nachwuchsbereich, aus dem er kam, zurückgeht. Das ist sicherlich der größte Schnitt, den der HSV gemacht hat, aber jetzt sind (fast) alle Posten in diesem neuen HSV tatsächlich neu besetzt, sodass nun tatsächlich von einem Neubeginn zu sprechen ist.

Um das gleich vorweg zu sagen: Ich finde diesen Schritt nicht nur mutig, wie eingangs schon geschrieben, sondern großartig. Was und wen hat der HSV nicht schon alles an Trainern hierher geholt? Es waren namhafte Männer dabei, sogar einen Vizeweltmeister hatten wir hier – nur gebracht haben sie alle nicht das, was sich die Verantwortlichen von ihnen erhofft hatten. Und mit ihnen hatten auch die vielen, vielen HSV-Fans gehofft, dass es einmal wieder kontinuierlich bergauf gehen würde, das Gegenteil war der Fall.

Jetzt hat der HSV einen relativ unbekannten Mann geholt, und bewegt sich damit auf den Spuren des SC Freiburg, des FC Augsburg, der TSG Hoffenheim und Hannover 96, denn die Herren Tuchel, Weinzierl, Gisdol oder auch Torkut kamen damals, als sie Cheftrainer ihrer Clubs wurden, für die meisten Experten und Fans überraschend zu ihren Jobs. Diese Trainer aber hatten im jeweiligen Nachwuchsbereich schon aufhorchen lassen, indem sie gute Leistungen und Erfolge vorzuweisen hatten. Auf dieser Linie liegt nun auch der 44-jährige Josef „Joe“ Zinnbauer, der die U23 des HSV zu neuem Leben erweckt hat. Acht Spiele in der Regionalliga, acht Siege. Ssensationell. Und alle Welt schwärmt von Joe Zinnbauer.

Sicherlich ist es ein wenig kurios, dass dieser Zinnbauer noch vom ehemaligen Sportchef Oliver Kreuzer aus Karlsruhe geholt worden ist, aber solche Geschichten schreibt eben der Fußball, und ganz besonders der Hamburger Fußball, der des HSV. Für mich ist das aber kein Grund, an Zinnbauer zu zweifeln oder zu mäkeln – der Mann kann es in meinen Augen, und er wird es hier beweisen. Egal, ob nun das erste Spiel, am Sonnabend gegen den FC Bayern, in die Hose gehen sollte. Der HSV geht einen Weg, der so noch nur vor einigen Jahren mal beschritten worden ist (Gerd-Volker Schock, Benno Möhlmann, Felix Magath), der aber absolut vernünftig ist. Zumal der Club kaum über die Finanzen verfügt, Mirko Slomka und einen anderen Chef-Coach über Jahre zu bezahlen. Slomkas Vertrag läuft noch bis Sommer 2016, muss also noch irgendwie weiter bezahlt werden, und diese Summe wird sicher in den siebenstelligen Bereich steigen. Der Vertrag von Zinnbauer läuft erst einmal unbefristet weiter, er wird sicherlich finanziell etwas angehoben – und bei Erfolg sicherlich auch dann befristet werden. Aber alles zu seiner Zeit.

Kurios ist an diesem Neuaufbau des HSV, dass mit Patrick Rahmen ein Mann an Zinnbauers Seite (als Co-Trainer) kommen wird, der seinerzeit noch von Thorasten Fink an die Elbe geholt worden war. Rahmen war erst kürzlich als Chef-Trainer des Nachwuchsbereiches des HSV eingestellt worden – und dieses Amt behält er – quasi nebenbei – inne. Neuer Fitness-Coach wird Carsten Schünemann, neuer Torwarttrainer wird der frühere HSV-Keeper Stefan Wächter. Neuer Chef-Trainer der U23 wird der bisherige Coach der U16, Daniel Petrowsky, an seiner Seite bleibt Soner Uysal der Co-Trainer.

Was aus Thomas Westphal wird, den Mirko Slomka in diesem Sommer aus Hannover zum HSV (als Mannschafts-Betreuer) geholt hat, ist noch unklar. Wie schön, dass Joe Zinnbauer nicht auch noch zehn Mann oder mehr im Schlepptau hat – es würde wieder kosten und kosten und kosten. So gesehen ist Zinnbauer wirklich eine Billig-Lösung, aber das ist wahrlich nicht böse gemeint – der Mann könnte (und wird in meinen Augen) ein Glückgriff für den HSV werden. Auch wenn er am Sonnabend natürlich gleich vor einer ganz schwierigen Aufgabe stehen wird.

Zinnbauer sorgt für frischen Wind

„Er ist für mich ein super Trainer, und ich hoffe, dass er die ersten Punkte für den HSV holt.“ Das sagte der ehemalige HSV-Profi Hakan Calhanoglu nach dem Champions-League-Spiel von Bayer Leverkusen beim AS Monaco über die Berufung von Josef Zinnbauer zum Hamburger Cheftrainer. Etwa zur gleichen Zeit saß Jürgen „Kloppo“ Klopp am Dienstag in Dortmund nach dem 2:0 über Arsenal bei der Pressekonferenz und sagte und fragte in die Runde: „Ich freue mich sehr für Joe Zinnbauer, dass er Trainer des HSV geworden ist – hat jemand die Handy-Nummer, damit ich ihn anrufen kann, um zu gratulieren?“

Ja, so geht es dann doch auch. Man muss nicht alles nur schlecht machen oder schlecht reden, man könnte auch ein wenig Hoffnung aus dem Trainerwechsel beim HSV schöpfen. Hoffnung und Zuversicht. Den ersten Tag hat Zinnbauer nun hinter sich, und er hat ihn mit Bravour gemeistert. Er kam zwar exakt 30 Minuten zu spät auf den Trainingsrasen am Volkspark, aber nur deshalb, weil seine „Neu-Jahrs-Ansprache“ wohl einen Tick länger gedauert hatte. Zinnbauer kam mit Co-Trainer Patrick Rahmen und Torwarttrainer Stefan Wächter die „Show-Treppe“ im Süden des Stadions herunter, und unten durchschritten die drei Musketiere dann ein Spalier aus Fans und Medien-Vertretern. Die HSV-Anhänger applaudierten – es muss dem neuen Chef-Trainer heruntergegangen sein wie Öl. Genau fünf Minuten später erschien die Mannschaft. Sie ging auch durch das Spalier, aber ohne Beifall. Der muss sich erst wieder erarbeitet werden.

Übrigens: Zu spät wird Joe Zinnbauer wohl nie kommen, denn er ist nicht nur fünf Minuten vor der Zeit da, sondern fast fünf Stunden . . . Heute fuhr er bereits um 7 Uhr vor den Eingang des Stadions, was noch verschlossen war – aber „Joe hat ja Schlüssel“. Und gestern, als er noch bei der U23 im Amt war, betrat er um 14 Minuten vor Zwölf das Stadion – das Training war für 15.30 Uhr terminiert. So ist der neue Mann des HSV.

An diesem Coach nichts Künstliches dran. Dieser Trainer ist authentisch, frisch, fromm, frei und von der Leber weg. Einfach erfrischend, dieser Typ. Und wenn er damit auch bei seiner Mannschaft „landen“ kann, wenn er seine etwas trockenen Profis, von denen viele, viel zu viele schon mit lethargischen Zügen über den Rasen traben, sich von dieser emotionalen Art auch nur etwas mitreißen oder anstecken lassen, dann wird dieser HSV auch wieder auf die Beine kommen. Habt Vertrauen.

Gleich im ersten Training mit den Profis wehte ein frischer Wind durch den Volkspark. „Ich will die Zügel in der Hand haben“, erklärte der 44-Jährige bei der Pressekonferenz. Er über sich: „Ich bin sehr leidenschaftlich und akribisch. Disziplin ist mir wichtig. Wenn man in Hamburg Trainer ist, sollte man alles ins Zeug legen – ich denke, das habe ich mit der U23 gemacht.“

Als Zweitligaspieler bei Mainz 05 hat er erste Profi-Erfahrungen gesammelt - an der Seite von Borussia Dortmunds Trainer Jürgen Klopp. Zinnbauer auf die Frage, ob er noch Kontakt zu ihm habe: „Ja, ich habe ihm neulich noch bei Whatsapp geschrieben. Schon damals in Mainz hat Kloppo zu mir gesagt: Wir zwei Blinden können nicht Fußball spielen, aber vielleicht packen wir es ja als Trainer . . .“

Die Kritiken, die Joe Zinnbauer, der seit 1980 nunmehr mein 27. HSV-Trainer ist (allerdings mit Ralf Schehr, Holger Hieronymus und Frank Arnesen) nach und für seinen ersten Tag bekommen hat (Fans und Kollegen), waren durchweg positiv, meistens überaus positiv. Es weht, so war zu vernehmen, jetzt ein viel frischerer Wind durch den Volkspark, die Stimmung ist plötzlich eine ganz andere. Bleibt nur zu hoffen, dass das auch bei der Mannschaft so aufgenommen und gelebt wird.

Das hofft natürlich – und in erster Linie – auch Club-Chef Dietmar Beiersdorfer, der sich die erste Pressekonferenz von Joe Zinnbauer ansah und anhörte. Der „Didi“ wirkt auf mich etwas gestresst, die Turbulenzen der vergangenen 48 Stunden zeigen sich in seinem Gesicht, er hat Augenränder. Natürlich. So etwas geht ja nicht spurlos an einem Menschen vorbei. Er musste schließlich innerhalb weniger Stunden allerhand Männern erklären, dass sie in Zukunft keine Rolle mehr beim HSV spielen werden. Keine angenehme Aufgabe - und so etwas dann am Fließband.

Westermann betont Teamgedanken

Ist es schon jemandem aufgefallen? In dieser Woche scheint pausenlos die Sonne! Liegt es vielleicht am neuen HSV-Trainer Joe Zinnbauer? Jedenfalls konnte der 44 Jahre alte Franke heute wieder bei besten Bedingungen auf den Trainingsplatz bitten. Und langsam manifestiert sich, was Zinnbauer für die Partie gegen den FC Bayern als Stammelf vorsehen könnte. Wenn wir hinten anfangen, dann spricht das meiste für Jaroslav Drobny. Er stand erneut im Kasten der ersten Elf, und das bei zwei verschiedenen Spielformen. Die Viererkette dürfte mit Diekmeier, Djourou, Westermann und Ostrzolek besetzt werden. Beachtlich vor allem die mögliche Rückkehr von „HW4“. 2010 ist er für 7,5 Millionen Euro von Schalke 04 zum HSV gekommen. Zuletzt schien seine Zeit in Hamburg zu Ende zu gehen. Der Wechsel in Hannover, als ihn der Brasilianer Cleber erstmals vertrat, war für viele folgerichtig.

Heute hat Heiko Westermann über den Trainerwechsel Slomka/Zinnbauer gesprochen. Bzw. eigentlich nicht gesprochen, was als Spieler nachvollziehbar ist: „Ich bin nicht dafür da, um über Trainerwechsel zu philosophieren. Wichtig ist, dass wir Erfolg haben. Wir haben letztes Jahr mit Slomka die Klasse gehalten, jetzt sind wir schlecht gestartet. Der Verein hat dann gehandelt.“ So pragmatisch muss man es wohl sehen als HSV-Profi. Nach Westermanns Einschätzung sind die Kardinal-Fehler des Vereins und der Mannschaft seit langer Zeit im Argen. „Ich habe es die letzten Jahre immer betont, dass wir als Team auftreten müssen. Das haben wir die letzten zwei Spiele wieder nicht getan, deswegen stehen wir im Keller. Wir müssen jetzt die Vorgaben des Trainers umsetzen, dass jeder für den anderen da ist. Sonst funktioniert es nicht.“ Ob es wohl gegen die Bayern funktioniert? Natürlich ist es der schwerste Gegner, der möglich ist. Westermann: „Wir sind klarer Außenseiter. Ich habe mir auch die Champions League Partie gegen Manchester angesehen. Sie sind wieder auf dem Weg, die beste Mannschaft der Welt zu sein. Es wird eine sehr schwere Aufgabe, aber wenn wir nicht dran glauben, ist auch nichts möglich. Wir müssen als Mannschaft auftreten. Kompakt, als Einheit und viel laufen.“

An der Außenseiterrolle des HSV ändert das nicht eben viel. Und trotzdem kommen aus München vorsichtige Töne. Dort hat sich Sportdirektor Matthias Sammer nach dem 1:0 in der Champions League gegen Manchester City über den nächsten Gegner in der Bundesliga geäußert: „Ich sage ihnen ganz ehrlich: vor unserem Spiel habe ich gehofft, dass wir gegen Manchester gewinnen, aber sie können sich nicht vorstellen, wie oft ich in diesen Tagen an den HSV gedacht habe. Die Trainerkonstellation, wie sich dort ergeben hat – es ist nicht gerade so, dass uns das superrecht ist.“ Schlusswort Westermann zum Bayern-Spiel: „Man hat schon viel mitgemacht beim HSV in den letzten Jahren, aber ich denke nicht groß über die Vergangenheit nach. Es ist viel passiert, aber man muss immer wieder aufstehen. Jetzt ist eine Riesenchance für uns, etwas gutzumachen. Die Chance ist vielleicht nicht groß, aber sie ist da. Jeder kommt schlecht rum, wenn man immer verliert.“

Zurück zur möglichen Aufstellung. Im Mittelfeld ist offenbar nur Valon Behrami vor der Viererkette gesetzt. Die offensive Dreierreihe sowie der Sturm sind dagegen zu prognostizieren. Nicolai Müller über rechts, Lewis Holtby zentral, Zoltan Stieber über links, vorn Pierre Michel Lasogga. Viele andere Alternativen bieten sich Zinnbauer nicht. Fehlen wird den Hamburgern übermorgen und wohl auch noch in den folgenden Spielen der Kapitän. Wie berichtet hat sich Rafael van der Vaart vergangene Woche an der Wade verletzt, und zwar an eben jener Stelle, die ihn auch schon kurz zuvor zu einer Pause gezwungen hatte. Mit Sicherheit wird er beim nächsten Comeback-Versuch ganz genau aufpassen, nicht zu früh zu belasten. Abschließend noch ein großer Glückwunsch. Charly Dörfel wird heute 75 Jahre alt. Lieber Charly, alles Gute zu Deinem dreiviertel Jahrhundert!

Bitte die Bayern nicht auspfeifen!

Die Bayern kommen! Und die Hamburger träumen davon, mit neuem Trainer und hoffentlich neuem Schwung für eine Sensation sorgen zu können. Dass die Nordlichter, die HSV-Fans, davon schon mal wieder träumen, das allein ist schon ein schönes Glücksgefühl. Vor einer Woche, nach dem 0:2 in Hannover, und vor 14 Tagen, nach dem 0:3 gegen Paderborn, war von einem solchen Glücksgefühl nichts, aber auch nicht mal nur im Ansatz etwas zu erkennen. Jetzt, mit Joe Zinnbauer, der in drei Tagen für Frische im Volkspark gesorgt hat, scheint eine Überraschung nicht mehr total unmöglich. Und selbst wenn es für den HSV die erwartete Niederlage geben sollte, wenn Aufbruchsstimmung erkennbar ist, wenn die Fans, sehen, dass sich diese HSV-Mannschaft reinhängt bis zum Abwinken, wenn sie den Willen zeigt, sich nach besten und allen Kräften wehren zu wollen, dann kann das schon dafür sorgen, dass sich ein gewisser Versöhnungs-Prozess in Gange setzt. Es ist Joe Zinnbauer und seiner neuen HSV-Mannschaft zu wünschen, obwohl natürlich nicht zu übersehen ist, dass dieses Spiel, diese 90 Minuten gegen die beste Vereins-Mannschaft der Welt, eine Herkules-Aufgabe ist, die normal auch mit den allerbesten Vorsätzen nicht zu bewältigen ist. Oder vielleicht doch?

Bevor ich zum HSV komme, möchte ich alle Rothosen-Fans bitten, den FC Bayern beim Einlaufen in die Arena nicht auszupfeifen. Das ist mir eine Herzensangelegenheit. In diesem Sommer ist Deutschland Fußball-Weltmeister geworden, und wir alle haben nicht nur damals gejubelt, wir alle, so glaube und hoffe ich, sind immer noch in Jubel-Laune und im siebten Fußball-Himmel. Und dass wir Weltmeister geworden sind, das lag zum großen Teil auch an jenen Spielern, die hier an diesem Sonnabend in Hamburg auf den Rasen laufen werden. Ich bitte darum, dass diese Profis und diese Weltklasse-Mannschaft nicht ausgepfiffen wird, sondern im Gegenteil mit Beifall begrüßt wird. Quasi als Dank dafür, dass wir auch durch diese Bayern-Spieler den vierten Stern vom Himmel holen durften. Sie haben vor Wochen alles für Deutschland gegeben, sie haben sich bis zur Erschöpfung (wenn ich so an Bastian Schweinsteiger denke, der ja noch immer kaputt ist) verausgabt und sind deswegen noch immer nicht bei 100 Prozent, das sollte jeder HSV-Anhänger einmal mit ins Kalkül ziehen.

Und wer sich damit nicht auf Anhieb arrangieren kann, der hat ja noch Zeit bis Sonnabend um so gegen 15 Uhr, um seine sportlich-faire Einstellung zu testen. Es wäre wirklich wunderbar, wenn diesen Weltmeistern ein schöner und wahrlich weltmeisterlicher Empfang hier in Hamburg bereit werden würde. Ich bitte darum.

Beim heutigen Abschlusstraining, das zur späten Stunde stattfand (die Herren betraten um 17.55 Uhr den Rasen), passierte nicht viel. Ein bisschen Handball, ein bisschen Fußball – zum Abschluss ein Spielchen. Das allerdings regte zum Nachdenken an. Wer spielt, und wer spielt wo? Die erste Aufstellung lautete: Drobny; Diekmeier, Djourou, Cleber, Ostrzolek; Behrami, Westermann; Müller, Arslan, Holtby; Lasogga. Das Spiel endete nach einer Halbzeit von zehn Minuten 0:0 gegen die B-Vertretung. Dann stellte Joe Zinnbauer seine Mannschaft noch einmal um: Stieber für Arslan, Stieber dann über links, Holtby zentral. Und dieses Team schoss dann auch zwei Tore. 1:0 Pierre-Michel Lasogga, 2:0 Zoltan Stieber. Gewinner dürfte aber ein anderer Mann sein: Heiko Westermann. Er ist wieder drin. Wenn auch nur auf der „Sechs“. Und ich drücke „HW4“ die Daumen, dass er ein gutes und konzentriertes Spiel abliefert – damit der Mut des neuen Trainers belohnt wird. Für mich ist Westermann schon deswegen wichtig, weil er ein guter Kopfballspieler ist. Und ein großer.

Joe Zinnbauer weiß natürlich und grundsätzlich genau, was da morgen für ein Spiel auf ihn zukommen wird: „Das ist ein brutal starker Gegner mit einem Super-Trainer.“

Pep Guardiola hat auch allerhand Respekt vor dem Kollegen Zinnbauer, denn die Bayern haben sich zwei Videos von der Zweiten des HSV (die ja auch gestern ihr neuntes Punktspiel gewann, 4:1 in Braunschweig) kommen lassen, um den Spiel-Stil von Zinnbauer studieren zu können. Mehr Ehre für den neuen Mann beim HSV geht nicht. Hoffentlich konnten sich die Bayern nicht allzu sehr schlau machen ...

Traumhafter Einstand für Zinnbauer

Der HSV ist wieder da! 0:0 gegen die Bayern, ein traumhafter Einstand für den neuen Trainer Joe Zinnbauer. Damit hätten wohl nur die kühnsten Optimisten gerechnet. Das war eine Hamburger Mannschaft, die sich wehrte die alles gab, die sich zerriss, die die Marschroute ihres neuen Chefs ganz genau verfolgte. Zum Schluss war jeder Hamburger Spieler zwar absolut kaputt, aber sie hatten bis zur letzten Sekunde tapfer gekämpft, sich immer wieder in die Angriffe der Bayern geschmissen – das war die Auferstehung schlechthin, so darf es weitergehen. Zum Schluss der heutigen Partie, als die Zeit den Münchnern davon zu laufen schien, pöbelten die Bayern wieder was dass Zeug hält. Schlechte Verlierer! Selbst die B-Mannschaft der Münchner darf eben keine zwei Punkte beim Abstiegskandidaten in Hamburg liegen lassen. Dabei hätten die Münchner nur in Bestbesetzung antreten müssen, dann wäre das Ding geritzt gewesen. So aber wirkten einige Stars ein wenig lustlos, weil sie sich zumuten lassen mussten, in dieser B-Vertretung mitkicken zu müssen. Die Münchner hatten sich ja extra Videos von Zinnbauers Zweiter schicken lassen, um so ergründen, wie der neue HSV wohl spielt, aber sie haben wohl ein wenig zu hochnäsig auf ihre Stars verzichtet. Glückwunsch, Joe Zinnbauer, das war mal ein großartiger Einstand, gegen die beste Vereinsmannschaft der Welt. Und der HSV schießt dann eben am Mittwoch sein erstes Tor!

Bei den Bayern saßen Xabi Alonso, Benatia, Lewandowski, Rode, Götze und Robben auf der Bank. Noch Fragen? Dazu waren Ribery, Schweinsteiger, Badstuber, Thiago und Martinez gar nicht erst im Kader. Diese Namen alle zusammen wären eine großartige Mannschaft, die wohl in jedem Bundesliga-Stadion siegen würde. Und sicher nicht nur da.

Der HSV aber spielte mit wie Mann mehr. Das Publikum war sofort da und half großartig, und am Spielfeldrand „tigerte“ Joe Zinnbauer auf und ab, gestikulierte und kommentierte fast alles. Ab und an setzte er sich auch hin, aber überwiegend hatte er „Hummeln im Hintern“. Gut so! Und immer wieder trieb der neue HSV-Coach seine Mannen da hinten raus, sie sollten nicht zu tief stehen. Eine mutige Maßnahme, aber bestimmt auch die richtige.

Ebenfalls gut: Der HSV hielt die Null, auch nach einer halben Stunde stand es noch torlos. Und die Bayern hatten keine großen Möglichkeiten. Weil der HSV kompakt stand, die Räume zustellte, und weil sich die Spieler gegenseitig halfen. Natürlich hatte der Rekordmeister mehr Ballbesitz, aber das sah dann auch nur bis kurz vor dem HSV-Strafraum gut aus. Der HSV hatte das in der Defensive im Griff. Wobei aber nach vorne nicht so viel ging – auch klar. Pierre-Michel Lasogga war zu oft allein in der Spitze, zog sich mitunter auch zu weit aus der Mitte raus, dazu wirkt er zurzeit alles andere als spritzig, eher ist das Gegenteil der Fall, er wirkt langsam und behäbig – er hat eben noch viel aufzuholen. Von den Außenpositionen kam dazu auch wenig nach vorne, Nicolai Müller war viel mit der Defensive beschäftigt, Zoltan Stieber wirkte mitunter zu zaghaft und unentschlossen in den Zweikämpfen.

Beim Halbzeitpfiff hieß es dann 0:0, und dieses 0:0 wurde noch mehr gefeiert, als das 0:0 in Köln vor Wochen. Vor allem im Norden brandete tosender Beifall auf, anscheinend hatte das in dieser Form keiner so wirklich erwartet. Alle Achtung, HSV!

Mit Beginn der zweiten Halbzeit drückte der FCB mehr und mehr auf die Tube, und es kamen auch noch Götze und Lewandowski. Die Bayern wollten hier nicht mit einer Nullnummer vom Platz. Hatten aber das Glück, dass Nicolai Müller das 1:0 für den HSV vergab. Neuer eilte ihm entgegen, Müller spitzelte den Ball am Nationalkeeper vorbei – aber leider auch am leeren Bayern-Gehäuse. Das wäre es doch gewesen. Immerhin, die Fans im Norden fanden den Mut wieder: „Zieht den Bayern die Lederhosen aus . . .“

Und noch einmal durfte der HSV vom 1:0 träumen. Heiko Westermann lief mit nach vorne, wollte sicherlich aus der halblinken Position zu Lasogga flanken, aber der Ball segelte in Richtung langes Eck. Neuer hatte große Mühe, die Kugel zu halten – und die Zuschauer tobten vor Begeisterung (67. Min.). Danach aber nur noch die Bayern . . . Doch beim HSV stand die Null diesmal auch hinten. Ein schöner Achtungserfolg.