Vor dem Duell gegen die Bayern setzen die HSV-Fans nun alle Hoffnungen auf den neuen Trainer. Schafft Zinnbauer endlich die Wende?

Wunder gibt es immer wieder. Sang einst schon Katja Epstein. Sie kann damit unmöglich den heutigen Profi-Fußball gemeint haben, denn da sind Wunder, große oder kleine, kaum noch an der Tagesordnung. Und wenn der große Sepp Herberger zu seiner Zeit noch voller Überzeugung war, dass „Geld keine Tore schießt“, so haben spätestens seine Enkel längst eingesehen, dass diese alte Weisheit des weltmeisterlichen Bundestrainers voll und ganz daneben ist. Geld schießt schon lange viele schöne und wichtige Tore, und das trifft im deutschen Fußball ganz besonders auf Rekordmeister FC Bayern zu.

Die Münchner gastieren am Sonnabend im Volkspark. Diese Partie gehörte einst, vornehmlich in den 80er-Jahren, zum Feinsten, was die Bundesliga zu bieten hatte. Beide Clubs befanden sich zu jener Zeit noch auf Augenhöhe. Diese wunderschönen Duelle, diese herrlichen Zeiten sind lange vorbei. Der FC Bayern grüßt von ganz oben, der HSV versteckt sich ganz unten. In den letzten vier Begegnungen schossen die Münchner die Hamburger mit sagenhaften 19:4 Toren aus dem Stadion. Demoralisierender geht es gar nicht.

Nun aber findet der Nord-Süd-Gipfel unter anderen Voraussetzungen statt. In England würden die Fans sagen, dass der HSV nach dem Straw greift, in Finnland würde es Olki heißen, in Frankreich Paille, in Rumänien Paie, in Tschechien Slama, in Albanien Strou, in Ungarn Szalma und in Polen – tatsächlich! – Slomka. Auf Hamburgisch aber heißt Strohhalm seit Mittwoch Zinnbauer und wird kurz und knapp nur Joe gerufen. An diesen Zinnbauer klammert sich nun der gemeine HSV-Fan. Und solche, die es erst mal wieder werden wollen.

„Die Schere zwischen den Bayern und den meisten anderen Clubs klafft immer weiter auseinander.“ Hat vor gerade mal einer Woche Stuttgarts Trainer Armin Veh vor dem Gang nach und in München gesagt. Und damit wahrlich nichts Neues ausgesprochen. Die Münchner sind der Bundesliga-Konkurrenz, Ausnahme Dortmund, meilenweit enteilt. Womit man damit nicht auskommt. Es liegen keine Welten zwischen diesen Vereinen, es sind Galaxien. Und dennoch geht alles mit rechten Dingen zu. Jeder Verein wäre und ist dazu aufgerufen, es den Münchnern gleichzutun – nur sie schaffen es nicht. Trotz größter und teilweise verzweifelter Anstrengungen.

Aber nun wird es Joe Zinnbauer richten. Er wird dem HSV neues Leben einhauchen, er wird seine Mannschaft auf das Spiel gegen die Bayern so großartig einstellen, dass die gesamte Republik wieder jene Hoffnung schöpfen kann, dass der Übermannschaft von der Isar doch noch auf sportlichem Wege beizukommen ist: durch die richtige Marschroute, die hervorragende Taktik, durch eine großartige Ansprache des Trainers vor dem Spiel, der genau den richtigen Ton und auf Verständnis seiner Spieler trifft.

Zinnbauer, der Hamburger Strohhalm, könnte das, obwohl er ein fast unbeschriebenes Blatt im deutschen Profi-Fußball ist. Zuzutrauen ist ihm alles. Und den HSV-Profis, viele von ihnen Nationalspieler, eigentlich ja auch – wenn sie denn wollten. Kitzelt dieser Joe Zinnbauer nun Qualitäten wie Kampf, Mut, Willen, wie Herz, Engagement und Leidenschaft wieder frei, dann, ja dann hätte auch und sogar der Tabellenletzte HSV eine kleine Außenseiterchance, dem haushohen Favoriten ein Bein stellen zu können. Aber auch nur dann.

Die Gesamtbilanz der Clubs in den Duellen gegeneinander fällt für den HSV verheerend aus. Nur 19 Siege, 21 Unentschieden, aber gleich 58 Niederlagen. Bei einem Torverhältnis von 100:216. Aber im Moment trennen den Tabellenzweiten aus München und das Hamburger Schlusslicht nur sechs Punkte. Das waren nach Abschluss der Saison 2013/14 noch ganze 63. Diese Tatsache könnte doch Zuversicht in die Hamburger Gesichter bringen – und dazu der eine Strohhalm, nach dem jetzt alle greifen: Joe Zinnbauer. An diesem Sonnabend wird sich der HSV jedenfalls nicht wehrlos aus dem Volkspark fegen lassen – jetzt brechen andere Zeiten an. Wahrscheinlich jedenfalls.