Offiziell verboten, aber in Zeiten leerer Kassen geduldet: Hamburger bepflanzen Verkehrsinseln vor ihrer Tür

Sie sorgen für blühende Landschaften jenseits der großen Parks. Immer mehr sogenannte Wildgärtner bepflanzen und pflegen als „Guerilla-Gärtner“ in Hamburg städtische Flächen wie Verkehrsinseln und Seitenstreifen, auf denen sonst nur Unkraut wuchern würde.

Jürgen Hegger, Martina Heister und vier Mitstreiter aus der Nachbarschaft gehören zu diesen „neuen Grünen“. Sie kümmern sich ehrenamtlich und freiwillig um die Verkehrsinsel an der Barcastraße/Ecke Ackermannstraße in Hohenfelde. Sie gießen, jäten – und erfreuen sich an den blühenden Hortensien. In dem einen Meter schmalen Grünstreifen am Radweg wachsen Margeriten vor gepflegtem Rasen.

Angefangen hatte alles mit Werner Kaller, der 2003 – damals noch als Einzelkämpfer – beschloss, dass die Verkehrsinsel vor seiner Wohnungstür schöner werden sollte, und sie deshalb bis 2011 jeden Tag pflegte. „Wir sind seine Erben“, sagt Jürgen Hegger, der über Kaller einen Beitrag im Fernsehen gesehen hatte. Darin hieß es, dass Hobbygärtner Kaller an der Straße zwar dauernd angesprochen, ihm aber nie geholfen werde. „Da hat es klick gemacht“, sagt Hegger über den Beginn seines Engagements. Zu Ehren des 2011 verstorbenen Straßengärtners wurden die Insel und ihre Erweiterungen „Kallersche Gärten“ getauft.

Diese „Kleingärtner“ wie Jürgen Hegger bewegen viel, sagen Soziologen. Sie verschönern die Stadt, heben die Laune der Passanten, schaffen eine Kultur des Selbermachens und stärken das Gemeinschaftsgefühl in ihrem jeweiligen Quartier. Sie erobern sich gewissermaßen ein Zuhause vor der Haustür. Die Stadt könne dankbar sein. Das Straßenbegleitgrün, wie es offiziell heißt, würde sonst wild wuchern, denn es wird, wie es im Amtsdeutsch heißt, nur „anlassbezogen“ beschnitten. Von Pflege ist nicht die Rede.

Hamburg hat das Engagement für sein Grün auf ein Minimum reduziert. Die „Guerilla-Gärtner“ beschweren sich nicht. Sie pflanzen und pflegen auf eigene Kosten und freuen sich – auch über unverhoffte Nachbarschaftshilfe: „Wir haben die Gießkannen immer in der Alster gefüllt und rübergetragen, bis der Manager des Hotels Crown Plaza uns ansprach“, sagt Hegger. „Er bot uns an, das Hotel anzuzapfen. Jetzt holen wir das Wasser bequem mit dem Schlauchwagen.“

Eingriffe in den öffentlichen Raum sind offiziell genehmigungspflichtig. Viele Gärtner respektieren dies und haben sich per Antrag im Bezirksamt eine „Beetpatenschaft“ besorgt. Da aber der Bezirkliche Ordnungsdienst, der Wildgärtner ermahnte und Strafen verhängte, vom Senat aufgelöst wurde, muss die „grüne Guerilla“ wenig fürchten.

Die Politik ist zwiegespalten. Einerseits freut sie das bürgerliche Engagement. Andererseits fürchtet die Politik den Kontrollverlust. Die CDU befürchtet, dass die Gärtner schnell wachsendes Buschwerk aussäen könnten, das den Autofahrern die Sicht nehme. Der Verkehrsexperte Klaus-Peter Hesse (CDU) spricht von Stolperfallen. „Es kann nicht im Interesse der Allgemeinheit sein, wenn eine spätere Pflege durch die öffentliche Hand erschwert oder sogar die Verkehrssicherheit gefährdet wird.“

SPD-Umweltpolitiker Matthias Albrecht meint, man solle nicht versuchen, das Thema gesetzlich zu fassen: „Wir sollten die Gärtner machen lassen.“ Kurt Duwe (FDP) sagt: „Wenn Pflanzen stören, können sie von der Obrigkeit entfernt werden. Man sollte das ‚Urban Gardening‘ öffentlich fördern.“