Seit zehn Jahren macht Stefanie Hempel Führungen auf den Spuren der Fab Four. Und singt deren Songs auf einer CD

„Hallo, ich bin die Steffi, wir kennen uns ja noch gar nicht so richtig, oder?“ Das stimmt. Aber nur für drei Minuten, denn wer Stefanie Hempel begegnet, hat schon nach kürzester Zeit das Gefühl, eine langjährige Freundin zu treffen. Was auch an dem einnehmenden Lachen liegt, mit dem Steffi (es ist kaum möglich, „Stefanie“ oder gar „Frau Hempel“ zu sagen) sich etwa an eine besonders kuriose Besuchergruppe erinnert, die ihre Beatles-Tour gebucht hatte. Ein Junggesellenabschied volltrunkener Engländer, die mit „Gummipimmeln“ vor ihrem Gesicht rumfuchtelten.

Ja, die Beatles-Tour, sie ist das Markenzeichen der 36 Jahre alten Sängerin, die mit ihrem Sohn Luka, 8, auf St. Pauli lebt und seit nun schon zehn Jahren Einheimische und Touristen aus aller Welt an die legendären Orte führt, die mit der Geschichte der Fab Four untrennbar verbunden sind. Der Musikalienladen am Neuen Pferdemarkt, in dem die Beatles Gitarrensaiten kauften, das Hotel, in dem sie damals mehr hausten als wohnten, Clubs wie Indra und Top Ten, der Hauseingang, in dem das Cover des John-Lennon-Albums „Rock ’n’ Roll“ aufgenommen wurde: Steffi hat zu alldem etwas zu erzählen – und singt zwischendurch, sich selbst auf der Ukulele begleitend, immer wieder einen passenden Beatles-Song.

35 Teilnehmer haben sich an diesem warmen Sonnabendabend eingefunden, bereit, sich in die Vergangenheit entführen zu lassen. Viele Hundert Touren hat Stefanie Hempel bereits absolviert; anzumerken ist ihr das nicht, noch immer sprüht sie vor Begeisterung. „Es ist ein Privileg, diese Geschichten erzählen zu dürfen“, findet sie und erklärt: „Die Beatles gehören für mich zur Familie, sie haben meine Weltsicht mehr geprägt als meine Eltern.“

Gerade mal neun Jahre war sie alt, als sie die Beatles kennenlernte, angefixt durch die Plattensammlung ihres Vaters, der im mecklenburgischen Grabow als Zahnarzt arbeitete. „In der DDR kamen wir ja an die meisten Platten nicht ran“, erinnert sich Steffi. Immerhin gab es ein paar Lizenzpressungen und Best-of-Zusammenstellungen der staatlichen Plattenfirma Amiga, die bei Hempels im Regal landeten.

„Der Buchhändler bei uns im Ort war bei meinem Vater in Behandlung und bekam immer drei Exemplare der neuesten Veröffentlichungen. Eines behielt er selbst, eines landete bei uns.“ Darunter auch ein Beatles-Best-of, auf dem aber vermeintlich systemzersetzende Songs wie „Revolution“ oder „Lucy in the Sky with Diamonds“ fehlten.

Nachdem der Vater bereits 1988 von einem Verwandtenbesuch im Westen nicht in die DDR zurückgekehrt war, wurde der Ausreiseantrag der Rest-Familie etwa anderthalb Jahre später bewilligt. Am 7. November 1989 reisten Hempels aus. Zwei Tage vor dem Mauerfall. Vieles mussten sie zurücklassen, doch für Steffi kein Problem: „Ich hab mich so gefreut, da wegzukommen und endlich all die Beatles-Platten kaufen zu können.“ Schon am Tag nach der Ankunft ging es zu Karstadt in Bremerhaven. „Da hat mein Vater mir das ,Blaue Album‘ und ein John-Lennon-Video geschenkt.“ Vom ersten Taschengeld im Westen habe sie sich wenig später das „Weiße Album“ geleistet. „Das war ein ganz heiliger Moment. Ich stand vor dem Plattenregal und war tränenüberströmt.“

Lang ist’s her, aber für Stefanie Hempel gefühlsmäßig noch ganz nah: Ihre brauen Augen glänzen, wenn sie sich an diesen Moment erinnert, der wahrscheinlich wichtiger war als der erste Freund.

Inzwischen ist viel passiert. Sie ist Ende 1997 nach Hamburg gezogen, um Musik (Hauptfach: Klavier) auf Lehramt zu studieren, hat ein Kind bekommen, ihre erste eigene Platte („So nah dran“) veröffentlicht – und natürlich besitzt sie längst alle Beatles-Alben. Auch wenn sie sie nur noch selten auflegt, sondern die Songs lieber selbst singt. Etwa auf ihrer aktuellen CD „Why Don’t We Do It In The Road“, die Klassiker von „In My Life“ bis „Twist and Shout“ vereint.

Eine CD, die ihr am Herzen liegt, das schon, doch auch wenn ihre Liebe zu den Liverpoolern, vor allem zu John Lennon und George Harrison, unendlich scheint, auch wenn sie inzwischen 125 Bücher zum Thema angesammelt hat, findet sie: „Es muss noch mehr möglich sein.“

Und meint damit ihre eigene Musik. Selbst geschriebene Songs, die sie von einer weichen, sanften Seite zeigen. Die wunderbar melancholisch sind und im Gegensatz zu einer extrovertierten Stefanie Hempel stehen, die zum Abschluss der zweieinhalbstündigen Beatles-Tour im St.-Pauli-Museum noch ein Mitsing-Konzert gibt. Glückliche Gesichter ringsum bei „A Hard Day’s Night“ und „Here Comes The Sun“.

Uund auch wer bis dahin noch ein wenig auf Distanz war, sagt spätestens jetzt Steffi zu ihr. Und umarmt sie vielleicht sogar zum Abschied. Irgendwie beseelt.

Stefanie Hempel: „Why Don’t We Do It In The Road“ (Rakete Medien); mehr Infos unter: www.hempelmusik.deBeatles-Tour: hempels-musictour.com

Die Beatles gehören für mich zur Familie, sie haben meine Weltsicht viel mehr geprägt als meine Eltern.