Seit 2005 gibt es den Service. Und der Bedarf wächst: 410 Familien nutzen den Dienst

Am Anfang war es für Vanessa Wolf-Stoll ein wenig komisch, eine fremde Frau im Haus zu haben. Aber aus der Fremden wurde innerhalb weniger Tage ganz schnell „die Heidi“. Heidi Plewnia ist eine von rund 120 Notmüttern, die einspringen, wenn Mütter aus gesundheitlichen Gründen ausfallen und Hilfe brauchen. Heidi Plewnia und ihre Kolleginnen kommen in die Familien und unterstützen diese. Der Bedarf an solchen Betreuerinnen nimmt in Hamburg zu.

Die Warnung kam von der Hebamme: Wenn Vanessa Wolf-Stoll sich nicht häufiger ausruhe, drohten ihr frühzeitige Wehen, womöglich eine Fehlgeburt. Ende August erwartet die 31-Jährige ihr Kind.

Aber wie sollte sie sich entspannen? Da sind ja noch ihr eineinhalb Jahre alter Sohn Nils Mattis und die siebenjährige Leni-Marie. Um die beiden Kleinen kümmert sich nun seit Ende April Heidi Plewnia vom gemeinnützigen Verein Notmütterdienst Familien- und Seniorenhilfe (kurz NMD). Heidi Plewnia bringt morgens um 7.30 Uhr Nils Mattis in die Kita und holt ihn um 13 Uhr wieder ab, während Vanessa Wolf-Stoll ihre Tochter von der Grundschule holt.

Täglich drei Stunden ist die Betreuerin für die Barmbeker Familie da. Sie macht Hausaufgaben mit Leni-Marie, holt die Wäsche vom Trockenboden, wischt Staub. Sie sei eine richtige Perle. „Eine ganz liebe“, sagt Vanessa Wolf-Stoll. Heidi Plewnia schmeißt den Haushalt und kümmert sich um die Kinder. Abends nach der Arbeit hilft Ehemann Jan seiner Frau Vanessa. Die Kosten trägt die Krankenkasse, und wenn es – wie im Fall von Vanessa Wolf-Stoll – noch offene Fragen gibt und die Bewilligung etwas länger dauert, greift das Spendenprojekt „Brücken-Tage“. „Der Notmütterdienst hat einen Spendentopf eingerichtet, um Familien schnell und unkompliziert zu helfen, wenn die Bewilligung der Kostenträger zur Finanzierung des Einsatzes nicht nahtlos erfolgt und Versorgungslücken entstehen“, sagt die NMD-Geschäftsführerin Christina Meyer-Soltys.

Seit 2005 gibt es den Notmütterdienst in Hamburg. Im Durchschnitt 50 bis 60 Einsätze laufen in Hamburg zur gleichen Zeit. Die Betreuerinnen, es sind fast nur Frauen, seien sehr gut qualifiziert. Sie hätten entweder eine pädagogische Ausbildung oder genügend Erfahrungen mit Kindern, auch wenn sie aus anderen Berufen kommen. Unter den Betreuerinnen sind Sozialpädagoginnen, Erzieherinnen, Psychologinnen. Alle arbeiten auf Honorarbasis.

Heidi Plewnia, die ursprünglich aus Leipzig kommt, ist gelernte Kommunikationswirtin und hat im Kinderheim gearbeitet. „Das ist eine sehr dankbare Aufgabe“, sagt sie. Seit zehn Jahren schon ist sie dabei.

Der Bedarf an Betreuerinnen nimmt zu: Waren es vor zwei Jahren 300 Hamburger Familien, die Hilfe bekamen, wird diese Zahl in diesem Jahr, so die Prognose, auf 410 Familien ansteigen, das entspricht insgesamt 62.500 Betreuungsstunden (im vergangenen Jahr waren es 55.000 Stunden). Diese Zunahme liege daran, dass immer mehr Menschen überhaupt von dieser Hilfe erfahren. „Außerdem haben sich die Strukturen in den Familien geändert. Familien sind über den Globus verteilt, Verwandte nicht in der Nähe, wenn Hilfe nötig ist. Und auch die nachbarschaftlichen Bindungen sind nicht mehr so eng. Zudem gibt es immer mehr Alleinerziehende“, so Meyer-Soltys.

Es finde auch ein Umdenken bei den Arbeitgebern statt. Die Balance zwischen Beruf und Familie sei ein wichtiges Thema, und für ihre angestellten Mütter und Väter übernähmen Firmen auch Verantwortung und Kosten, so Meyer-Soltys. So kooperiert beispielsweise die Hamburger Hochbahn mit dem Notmütterdienst. Wenn ein Elternteil eigentlich nicht arbeiten kann, weil das Kind krank ist oder die Kita geschlossen hat, übernimmt der NMD für seine Kooperationspartner die Betreuung der Kinder. Ist die Arbeit irgendwann getan, wird Heidi Plewnia der Abschied von Familie Wolf-Stoll schwerfallen. „Und auch manche Kinder weinen sehr“, sagt sie. Aber hin und wieder schaut „die Heidi“ auch später noch bei ihren Kindern und Familien auf einen Kaffee vorbei.

Das ist eine sehr dankbare Aufgabe.